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DOC: Zum 21. Kongress der Deutschen Ophthalmochirurgen

Trends und Perspektiven in der Augenchirurgie
EM-Fieber und Sonnenschein begleiteten die 21. Tagung der Deutschen Ophthalmochirurgen, zu der sich im Juni rund 4.800 Teilnehmer in Nürnberg eingefunden hatten. Die zweisprachigen Hauptvorträge zu allen Bereichen der Ophthalmochirurgie sowie das gemeinsame Symposium mit den internationalen Gesellschaften AAO und ISRS stellten den Schwerpunkt des vielfältigen Programms, das Trends in der Kataraktchirurgie, Innovationen in der Glaukom- und Netzhautchirurgie, aber auch Aspekte der Anti-VEGF-Therapie zur kritischen Erörterung anbot. Auch in diesem Jahr fand der Austausch zu den gegenwärtigen Entwicklungen und die kontroverse Diskussion von Bewährtem und Innovativen in den großzügigen und lichtdurchfluteten Räumlichkeiten des CCN statt. Ein Bericht von Ulrike Lüdtke.

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DOC-Präsident Dr. Armin Scharrer.

Zu den neuen Entwicklungen in der Augenheilkunde, auf die DOC-Präsident Dr. Armin Scharrer anlässlich der Tagung der Deutschen Ophthalmochirurgen in der Pressekonferenz den Blick der Öffentlichkeit lenkte, gehörten die neuen refraktiv-chirurgischen Möglichkeiten bei Presbyopie, innovative Bildgebung zur Frühdiagnostik, optimierte chirurgische Verfahren bei Glaukom sowie der gegenwärtige Stand in der Kostendiskussion zur Anti-VEGF-Therapie bei AMD.

Neue Entwicklungen in der Augenheilkunde

Nach wie vor aktuell und mit Perspektiven für die augenchirurgische Praxis verbunden: die Presbyopie-Korrektur. Sich von der Lesebrille zu befreien und damit auch ein sichtbares Zeichen des Alters abzulegen, ist ein Wunsch, den viele Presbyope teilen, begründete Scharrer das augenärztliche Bestreben, Altersichtigen ein Leben ohne Lesebrille zu ermöglichen. Das neue operative Verfahren der Monovision-LASIK imitiere eine Laune der Natur, die schon dem deutschen Dichter J. W. Goethe eine beneidenswerte Brillenunabhängigkeit beschert habe: die Anisometrie. Bei jüngeren Patienten unter 60 Jahren wird eine unterschiedlich starke Brechkraft beider Augen hergestellt. Während das dominante Auge für die Fernsicht korrigiert wird, bleibt das nichtdominante Auge für den Lesebereich zuständig. Die Zahl der in Deutschland mit dem neuen Verfahren bislang operierten Patienten gab Scharrer mit rund 5.000 an, während es in USA und Kanada bereits viel weiter verbreitet sei. Aber: „Längst nicht alle alterssichtigen Patienten sind für einen Monovision-Eingriff geeignet“, warnte Scharrer, denn das unterschiedliche Sehen beider Augen sei nicht jedermanns Sache. Um die Eignung zu überprüfen, sollten die Patienten präoperativ Kontaktlinsen mit unterschiedlicher Brechkraft erhalten. Etwa zehn bis zwanzig Prozent, so seine vorsichtige Schätzung, würden den neuen Seheindruck gut tolerieren. Bei älteren Patienten, die zugleich eine Katarakt aufweisen, wird diese Form der Korrektur über die Implantation von verschiedenen IOL erzielt (das so genannte Mix & Match-Verfahren). Doch der künstlich erzielte „Goethe-Blick“, sowohl über Monovision-LASIK als auch durch IOL-Implantation, hat Nachteile: Das räumliche Sehen wird eingeschränkt. Damit sei dieser Effekt nicht für Personen geeignet, die ein räumliches Sehen in der Nähe oder Ferne benötigen, wie beispielsweise Piloten oder Juweliere. Scharrers Fazit: „Eine Operation nicht für jeden, aber für viele.“

Beispielhaft für die Fortschritte in der operativen Therapie, berichtete Dr. Kurt-Dietrich Freiherr von Wolf über den aktuellen Stand nach gut 400 durchgeführten 360-Grad-Kanaloplastik Eingriffen bei Offenwinkelglaukom. Dies sei ein Meilenstein in der operativen Glaukombehandlung, da im Vergleich zur Trabekulektomie das Problem der Narbenbildung mit Verschluss des Schlemmschen Kanals nicht mehr auftrete. Die bisherigen Eingriffe zeigten eine hohe Erfolgsquote. Derzeit laufen einige internationale Studien, zum Teil unter Beteiligung deutscher Zentren, sowie zwei Zulassungsstudien, eine davon in Deutschland.

Als Innovation in der bildgebenden Diagnostik stellte Priv.-Doz. Dr. Josef Schmidbauer das neue HRA OCT vor, das erstmals beide Goldstandards der Makuladiagnostik, Fluoreszenzangiographie und Optische Kohärenztomographie, simultan in einem Gerät vereint und über ein Eye-Tracker-System verfüge. Die neue Technik mit ultrahochauflösender Bildqualität und 3D-Darstellung, die erst seit wenigen Monaten in Anwendung ist, biete nicht nur neue Möglichkeiten der Früherkennung, sondern auch eine präzise Verlaufskontrolle, beispielsweise der Anti-VEGF-Therapie bei AMD-Patienten.

Zur Debatte um die Anwendung von Avastin und Lucentis zur intravitrealen Injektion bei feuchter AMD fassten Dr. Ruth Koelb-Keerl und Prof. Dr. Norbert Bornfeld den aktuellen Stand in der juristischen und medizinischen Auseinandersetzung um die Anwendung der beiden Präparate Avastin und Lucentis zusammen und verwiesen zudem auf die Zulassungsstudien des Pharmaunternehmens Bayer zu einem neuen Wirkstoff, die in etwa drei Jahren ein neues Medikament zur AMD-Behandlung erwarten lassen.

Vergleichsstudie Avastin – Lucentis

Entsprechend der Brisanz in der Auseinandersetzung um die Anwendung von Avastin versus Lucentis bot das DOC-Programm für die Tagungsteilnehmer ein Round-Tabel-Gespräch mit Vertretern aller an der Diskussion Beteiligten an. Zunächst stellte Priv.-Doz. Dr. Klaus Lucke, Bremen, Initiator der deutschen Vergleichsstudie, Ergebnisse einer prospektiven Datenerhebung im Vorfeld der Vergleichsstudie vor, für die man zu Kongressbeginn „nach monatelanger Verzögerung durch behördliche Bedenkenträger“ endlich alle Genehmigungen vorliegen habe und die nun offiziell anlaufe (VIBERA, Prevention of Vision Loss in Patients With AMD by Intravitreal Injection of Bevacizumab and Ranibizumab). Wie Lucke betonte, ist mit der prospektiv angelegten, randomisierten, doppelverblindeten Vergleichsstudie zum ersten Mal eine pharmakologische Zulassungsstudie ohne Beteiligung des Herstellers in Vorbereitung.

Zulässigkeit von Vertrag zum Off-Label-Use bei AMD bestätigt
Augenärzte dürfen weiterhin Verträge mit Krankenkassen abschließen, nach denen sie bei Patienten mit feuchter AMD das für diese Indikation nicht zugelassene Medikament Avastin verordnen können, entschied das Sozialgericht Düsseldorf im Rechtsstreit um den so genannten Nordrhein-Vertrag nun auch in erster Instanz im Hauptsacheverfahren. Die Novartis Pharma GmbH hatte im Juli 2007 einen so genannten Erlass auf einstweilige Anordnung beantragt, um zu verhindern, dass der zwischen der Vereinigung operierender Augenärzte und dem BDOC einerseits sowie drei gesetzlichen Krankenkassen andererseits geschlossene „Vertrag zur Behandlung der feuchten Makuladegeneration mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern“ zur Anwendung kommt. Novartis sah in dem Vertragswerk letztendlich die Vereinbarung der faktischen Favorisierung einer rechtswidrigen Off-Label-Use-Behandlung mit Avastin. Das Sozialgericht Düsseldorf hatte den Antrag des Unternehmens schon in seiner Einstweiligen Entscheidung zurückgewiesen (Az. S 2 KA 104/07 ER vom 23. August 2007).

Die Studie wird vom Kompetenzzentrum für Klinische Studien Bremen am Klinikum Bremen-Mitte finanziert und ist dort unter Leitung von Prof. Bernd Mühlbauer auf etwa zwei Jahre angelegt. In der Head-to-Head-Studie wird jetzt die Gleichwertigkeit der beiden Substanzen beziehungsweise die Nichtunterlegenheit von Bevacizumab (Handelsname Avastin) geprüft. Wird sie nachgewiesen, wird von einer De-facto-Zulassung und einer Aufnahme der Behandlung mit Bevacizumab in die Erstattungspflicht ausgegangen.

Nach wie vor wirft die Off-Label-Anwendung von Avastin bei Augenärzten viele Fragen auf und sorgt für Unsicherheit bei der therapeutischen Entscheidung für eine der beiden Substanzen. Prof. Dr. Dieter Hart, vom Institut für Medizinrecht in Bremen, erläuterte die haftungsrechtliche Problematik, und kam zu dem Schluss, dass im Rahmen des Arzthaftungsrechtes, „allein der Off-Label-Use kein Fehlergrund“ sei, wenn „die Behandlung nach wissenschaftlicher Erkenntnis, ärztlicher Erfahrung und Akzeptanz bereits standardgemäß“ sei. Dies sei vor der Zulassung von Lucentis der Fall gewesen. Die „ärztliche Erfahrung sei legitime Quelle der Standardbildung und die weitere Behandlung mit Avastin sei allein aufgrund der Zulassung von Lucentis „keinesfalls behandlungsfehlerhaft“. Die ärztliche Haftpflichtversicherung stehe in der Regel für den Off-Label-Use ein, er empfehle, dies im Einzelfall sicherheitshalber abzuklären und gegebenenfalls zu vereinbaren. Vorsicht sei geboten bei ärztlicher Zubereitung, Ab- oder Umfüllung, die zu haftungsrechtlichen Probleme führen könne. Auch rate er, sich den Versicherungsschutz des Zubereiters (Apothekers) bestätigen zu lassen. Da der Patient der Entscheider über die Behandlung sei, wenn ihm „eine Auswahl indizierter und verfügsamer, wirksamer und unbedenklicher Alternativen angeboten wird“, sei die weitreichende Aufklärung des Patienten über Verlauf, Nutzen und Risiko, Alternativen sowie Status des Arzneimittels und eine besonders gründliche schriftliche Dokumentation der Patientenaufklärung, eine wichtige Voraussetzung beim Off-Label-Use.

Als Vertreterin des Unternehmens Novartis verteidigte die Leiterin des Geschäftsbereich Ophthalmics Veronique Deguille-Nieselt das Präparat als kosteneffektiv, bescheinigt vom National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE), kündigte aber zugleich an, dass man sich im Sinne eines Entgegenkommens zu einer Preisreduzierung entschieden habe und zudem nach Forderung der europäischen Zulassungsbehörde EMEA eine neue, reduzierte Abfüllmenge auf dem Markt bringe. Langfristig geplant sei aber, eine Fertigspritze anzubieten. Eine weitere positive Nachricht des Unternehmens, so Deguille-Nieselt, sei der Vertragsabschluss für eine patientenorientierte Lösung, die man gemeinsam mit der AOK gefunden habe, um zukünftig einen schnelleren, weniger bürokratischen Zugang zur Anti-VEGF-Therapie mit Lucentis zu ermöglichen. Die Krankenkassen erhielten zudem Budgetsicherheit, so Deguille-Nieselt ohne weitere Vertragsdetails bekannt zu geben.

Es sei eine neue Situation, dass Ärzte und Krankenkassen die Vertriebs- und Marketingaktivitäten der Pharmaindustrie in Frage stellen würden, postulierte Dr. Christoph Straub, Mediziner und Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse, Hamburg. Neu sei auch die juristische Aggression, mit der ein Unternehmen gegen den Off-Label-Use agiere, der in der Medizin, vor allem der Pädiatrie, Gang und Gäbe sei. Innovation, Forschung und freie Preisbildung seien zu befürworten, aber „wir brauchen auch Instrumente, um gegen die Preispolitik der Pharmaindustrie etwa in der Hand zu haben“, so Straub. Vertragskonstruktionen für Arzt und Patient einerseits sowie Head-to-Head-Vergleiche andererseits seien erforderlich, um der freien Preisbildung durch Pharmaunternehmen etwas entgegen setzen zu können.

Auf die Frage der Moderatorin Dr. Ruth Kolb-Keerl, Beiratsvorsitzende des BDOC, wie sich denn der Augenarzt bis zum Ergebnis der Vergleichsstudie in dieser Situation organisiere und wie der sozialrechtliche Aspekt einzuschätzen sei, gab der Medizinrechtsanwalt Reinhold Preißler kurz und prägnant Antwort: Aus ärztlicher Sicht sei die rechtliche Seite einfach: „Allein der Arzt entscheidet über die Therapie“. Unter Einhaltung gewisser Regeln, könne dem Arzt „nichts passieren“. Komplex sei die Situation hingegen nur in der juristischen Diskussion über das Arzneimittelrecht und dem damit verbundenen ordnungspolitischen Eingriff in den Pharmabereich. Auch in Bezug auf die Abrechnung bliebe es derzeit für beide Präparate bei der Kostenerstattung, da beide außerhalb der GKV seien. „Verträge zur Vereinfachung der Abrechnung sind deshalb grundsätzlich zu begrüßen“, so Preißler abschließend.

Dass die seit gut einem Jahr geführte Auseinandersetzung um den Einsatz von Avastin versus Lucentis trotz juristischer Beschwichtigungsversuche nach wie vor für Verunsicherung sorgt, zeigten auch die Fragen und Stellungnahmen (Kritik an Unternehmensstrategie sowie unterschiedlicher Vergütungsformen) aus dem Publikum. Deutlich wurde, dass eine baldige Lösung von allen Beteiligten gewünscht und längst überfällig ist.

Das berufspolitische Gespräch

Ein ebenfalls nach wie vor gesundheitspolitisch umstrittenes Thema stand beim berufspolitischen Gespräch im Mittelpunkt: der Gesundheitsfonds. In einem sehr ausführlichen, faktenreichen Referat erläuterte Dr. Maximilian Gaßner, Bayerischer Staatsminister für Arbeit und Soziales, die rechtlichen und politischen Aspektes des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetztes und machte über die Genese des Fondssystems deutlich, dass es sich hierbei um ein Eckpunkte-Papier als parteipolitischen Kompromiss zu den beiden großen Finanzierungsalternativen handele, das „jedem ins politische Konzept passte“. Zwar sei die Idee der Gleichbehandlung im Fondssystems positiv zu bewerten, aber damit seien bereits alle Dafür-Argumente ausgeschöpft.

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Der Gesundheitsfonds stand im Mittelpunkt des berufspolitischen Gesprächs.

Für seine Kritik fand Gaßner harsche Worte: Der Wettbewerb würde ausgeschaltet oder verzerrt, das Fondssystems sei zentralistisch, obrigkeitsstaatlich und korruptiv, da es „voll dem Zugriff der ‚classa politica’ ausgesetzt sei. Insbesondere die Beitragsfestsetzung vor den Wahlen berge ein hochpolitisches Potential. Sein abschließender Ausblick nach zum Fondssystem: „Entweder es implodiert oder es explodiert – ansonsten wird es kommen.“ Aber mit der Bundestagswahl 2010 das werde Fondssystem wieder revidiert werden, prognostizierte Gaßner.

Gesundheitsfonds – neue Anhörung nach Sommerpause
Nach der parlamentarischen Sommerpause will der Bundestags-Gesundheitsausschuss eine Experten-Anhörung zum Gesundheitsfonds veranstalten. Das haben die Mitglieder des Ausschusses Mitte Juni überraschend einstimmig beschlossen. In der Kritik stehen vor allem die Umverteilungswirkung des Fonds zwischen den Regionalkassen, die Auswirkungen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs und nicht zuletzt die Effekte der Vergütungsreform der Vertragsärzte.

Zu den Perspektiven der Krankenkassen in dem geplanten Systemwettbewerb GKV-PKV referierte Cornelia Prüfers-Storcks, Vorstand der AOK Rheinland/Hamburg, und machte dabei grundsätzlich erweiterte Möglichkeiten der Krankenkassen im Bereich der Zusatzversicherungen und Wahltarife aus, wies zugleich aber auch auf Beschränkungen, wie die Pflicht zu Hausarztverträgen, hin. Die künftige Situation bewertete sie als eingeschränkten Wettbewerb, da die beiden Versicherungssysteme nicht nach dem gleichen Regeln arbeiten müssten. Ihrer Einschätzung nach werde die neue Wettbewerbsordnung zu mehr Service im Werben um Mitglieder führen, zu Ausschüttungen werde es sicherlich nicht kommen und Zusatz-Beiträge seien „tödlich“.

Umfrage zu Erhebung von Zusatzbeiträgen
Laut Umfrageergebnis des BKK Bundesverbandes in Essen würden bei Erhebung eines Zusatzbeitrages durch die eigene Krankenkasse 35 Prozent der gesetzlich Versicherten sicher oder sehr wahrscheinlich ihre Kasse wechseln. Zusatzzahlungen in Höhe von zehn Euro würden danach 27 Prozent der Versicherten zu einem Wechsel zu anderen Kassen bewegen. Bei 20 Euro würde sich sogar die Hälfte aller Befragten überlegen, die Kasse zu wechseln. Allerdings ist die Wechselbereitschaft vor allem bei den Versicherten, die mit dem Leistungsangebot und Service ihrer Krankenkasse zufrieden sind, deutlich geringer ausgeprägt. Falls die konkurrierende Krankenkasse dagegen mit besseren Leistungsangeboten aufwartet, würde dies bei 45 Prozent der Versicherten die Wechselabsicht verstärken. Befragt wurden telefonisch 1.200 gesetzlich Krankenversicherte im Alter zwischen 18 und 65 Jahre.

Auch in diesem Jahr wieder zu Gast auf dem Podium, Dr. Axel Munte, Vorstandsvorsitzender der KV Bayern, der in bekannt leidenschaftlicher Geste ein Plädoyer für die Neu-Positionierung der niedergelassenen Fachärzte hielt und dabei die Qualitätssicherung als wichtigstes Instrument im Wettbewerb postulierte. Die derzeitigen Reformen seien ein „Atombombenabwurf auf unser System“, mit kaum absehbaren Folgen, befand Munte, und die Frage nach der zukünftigen Vergütung der Ärzte gleiche einem Blick in die Glaskugel. Den Vertragswettbewerb bezeichnete Munte in seinem metaphernreichen Vortrag als „Schneeball, der sich zur Lawine entwickelt“ in einem intransparenten System, in dem „niemand weiß, wo die Gelder hinfließen.“ Sicher sei nur, dass sich in fünf Jahren eine völlig neue Situation darstellen würde. „Sie müssen beweglich und flexibel sein, dann werden Sie überleben“, so sein Appell, verbunden mit der Aufforderung, die Qualitätssicherung zu einem erkennbaren Positionierungsmerkmal zu machen. Fachärzte böten Premiummedizin, zukünftig dürfe es keine Pauschalierung mehr bei der Bezahlung geben, forderte Munte, der sich für die Erweiterung des Paragraphen 136 engagiert hatte und mit dem neu geschaffenen Absatz 4 die Möglichkeit sieht, Ergebnis-Qualitätssicherungsprogramme im KV-Bereich flächendeckend auszuweiten. Das in Bayern bereits für einige Fachgruppen beziehungsweise Leistungen eingeführte Programm sieht für Ärzte, die besondere Qualitätsmerkmale und Benchmarking einhalten, ihre Leistungen elektronisch dokumentieren und die Daten für die Versorgungsforschung zur Verfügung stellen, eine bessere Vergütung vor zu Lasten derjenigen Ärzte, die diese Anforderungen nicht erfüllten, erläuterte Munte und appellierte an die Zuhörer, diese Qualitätsstrategie zu unterstützen und bei den eigenen Landes-KVen anzuregen, denn: „Hier liegt die Honorarchance der Zukunft“.

Neue Qualitätsinitiative in Bayern
Eine Qualitätsinitiative mit über 40 Programmen für den gesamten fachärztlichen Bereich haben die Betriebskrankenkassen (BKK) in Bayern und die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Bayerns zum 1. Juli gestartet. Ziel der „Qualitätsinitiative fachärztliche Versorgung“, an deren Gestaltung Axel Munte, Vorstandsvorsitzender der KV maßgeblich beteiligt ist, ist das Geld der Leistung folgen zu lassen. Die Vereinbarung trage dafür Sorge, dass die Ärzte, die die hohe Qualität ihrer Versorgung nachweisen, einen Honorarzuschlag erhalten. Für Ärzte, die diesen Nachweis nicht erbringen, reduziert sich die Vergütung für diese Leistungen. Die Qualitätsoffensive betrifft laut KV bis zu 40 Prozent der Fachärzte in Bayern. Die geplanten Maßnahmen umfassen ein Honorarvolumen von rund 100 Millionen Euro.

Prof. Dr. Bernd Bertram, Vorsitzender des BVA und als zusätzlicher Podiumsgast geladen, mochte dies nicht unkommentiert stehen lassen: „Wir bieten Qualität an. Und ob eine Dokumentation die Qualität verbessert, ist fragwürdig“, entgegnete er. Benötigt würden vielmehr Kooperationen, um jungen Ärzten eine Perspektive zu ermöglichen. Denn man wolle die Freiberuflichkeit erhalten, ganz gleich in welcher Tätigkeitsform, ohne Fremdsteuerung. Dafür seien Konzepte erforderlich.

Einstimmig hingegen fiel auf dem Podium die Kritik am Morbi-RSA aus. Als äußerst problematisch bezeichnete Bertram den Umstand, dass bei den 80 Diagnosen keine für Augenärzte vorgesehen sei. Dies sei ein Politikum, denn „wenn die Augenheilkunde nicht existiert, gibt es auch keinen Anlass, Geld hinein zu stecken.“

Wenn auch gesundheitspolitisch ein heißes Eisen, sorgte das Thema Gesundheitsfonds für spürbar wenig Interesse in der Zuhörerschaft. Statt dessen zeigten mehrfache Nachfragen zum Fünf-Stufen-Konzept von KBV-Chef Dr. Andreas Köhlers, dass sich die anwesenden Augenärzte hiervon unmittelbarer betroffen fühlten, auch wenn Bertram die Nachfragen mit dem Hinweis stoppte, dass das Modell in dieser Form nicht umgesetzt werde und sowohl bei Krankenkassen als auch bei Landes-KVen auf Ablehnung stößt. Die überlangen Vorträge sorgten offenbar zusätzlich für Diskussionsmüdigkeit, so dass die knapp verbliebene Zeit noch nicht mal mehr ausgenutzt wurde. Schade.

“Don’t Do unnecessary things“

Das Unnötige vermeiden – diesem Thema widmete sich die diesjährige Innovator’s Lecture (Albrecht-von-Graefe-Vorlesung) des Netzhautchirurgen Prof. Dr. Claus Eckardt (Frankfurt), der in einem sehr kurzweiligen Vortrag einige seiner Entwicklungen und Techniken für die Netzhaut- und Glaskörperchirurgie erläuterte. Seine maßgeblichen Beiträge zur vitreoretinalen Chirurgie befand Eckardt, der den Titel seiner Vorlesung bei einem „wahren Pionier“, dem Herzchirurgen Dr. Michael DeBakey, entliehen hatte, als „kleine Lösungen für die praktischen Probleme im OP“.

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Der Netzhautchirurg Prof. Dr. Claus Eckardt (Frankfurt) hielt die diesjährige Innovator’s Lecture.

Frau Prof. Hiroko Bissen-Myajima, Ophthalmochirurgin aus Tokio, berichtete in der Ridley Lecture mit Titel “Seeing is believing: What has dynamic observation contributed to the science of cataract and refractive surgery?” über die Entwicklung der Thermographie unter Einsatz hochauflösender Videos und deren Bedeutung für die Verbesserung von Kataraktoperationen und refraktiv-chirurgischen Eingriffen.

Zu den Ehrenvorlesungen, die in diesem Jahr erstmals in einem Block gehalten wurden, gehörten weitere vier Keynote Lectures. Prof. Dr. Eduard Haefliger (Binningen) ließ in einem sehr persönlich gehaltenen Vortrag „20 Jahre gelebte Ophthalmochirurgie”, insbesondere Kataraktoperation und Akkommodationsforschung Revue passieren.

Prof. Dr. Christian Ohrloff, Direktor der Universitäts-Augenklinik Frankfurt nutzte seinen Vortrag zu Perspektiven in der Kataraktchirurgie zu einem mahnenden berufspolitischen Appell an die Kollegen, die Operationskapazitäten aus kommerziellen Gründen nicht unnötig auszuweiten, im Sinne der finanziellen Ressourcen des Systems und im Sinne der Patienten.

Der Verleger Dr. Hans Biermann stellte seine Neu-Auflage der Publikation „Augenheilkunde in Deutschland“ vor und konstatierte die wesentlichsten Veränderungen in dem Auftreten fachfremder Kapitalgesellschaften und einem wachsenden Frauenanteil in der Augenheilkunde.

Prof. Dr. Susanne Binder (Wien) gab abschließend einen Überblick zur „Humanen retinalen Transplantation“ mit Ausblick auf die zukünftigen Möglichkeiten der RPE-Transplantation.

DOC-Filmfestival und Preisverleihung
Forschungspreis der DOC
Dr. Klaudia Huber (Düsseldorf). Verliehen für herausragende Forschungsprojekte zur vaskulären Komponente bei der Glaukomentstehung sowie zahlreichen Publikationen auf diesem Gebiet. Huber, Leiterin der Hornhautbank NRW an der Univ.-Augenklinik Düsseldorf, hat bislang 14 internationale Arbeiten und 26 zitierfähige Abstracts zur Relevanz der Perfusionsparameter und vaskulären Dysregulation veröffentlicht (Laudatio: Prof. Dr. Günther K. Krieglstein, Köln)
Filmpreise 2008
1. Preis: Dr. Fritz Hengerer (Bochum), Posterior optic button holing (POBH) – Technik und operatives Vorgehen (Dotiert mit 2.500 Euro).
2. Preis: Prof. Dr. Christoph Althaus (Ahaus), Die Technik der DSAEK.
3. Preis: Dr. Philipp S. Muether (Köln), Mission Infusion – Vitrektomie-Infusionssysteme im Flowmodell.
Wissenschaftliche Poster
1. Platz: Prof. Dr. Carsten H. Meyer (Bonn) und Prof. Dr. Norbert Schrage (Köln-Merheim), Computer-Screening nach intravitrealen Injektionen – The visual self-assessment (VISA) trial (Dotiert mit 2.500 Euro).
2. Platz: Dr. Ingo Schmack (Heidelberg), Long-term Follow-up of Laser In Situ Keratomileusis (LASIK) – For Mild to Severe Myopia.
3. Platz: Dr. Erita Filipek (Katowice), Evaluation of retinal thickness using optical coherence tomography in children with Stargardt’s disease/fundus flavimaculatus.
Medienpreis der DOC
Burkhardt Röper (Redakteur, „Apotheken Umschau“)

DOC 2009: 18. bis 21. Juni, im CCN in Nürnberg.

Ulrike Lüdtke
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