Therapieansatz für das humane Usher-Syndrom nachgewiesen

Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben erstmals einen Therapieansatz für das Usher-Syndrom nachgewiesen, einer rezessiv vererbte Krankheit mit sehr vielfältigem Erscheinungsbild. In schwerwiegenden Fällen werden die Betroffenen taub geboren und leiden ab der Pubertät an einer Degeneration der Netzhaut, die zur völligen Erblindung führt, berichtet die Universität Mainz.

Das Usher-Syndrom ist mit einer Häufigkeit von 1:6000 die häufigste Form angeborener Taub-Blindheit des Menschen. Es ist eine rezessiv vererbte Krankheit, die klinisch und genetisch sehr heterogen ist. Im dramatischsten Fall werden die Patienten taub geboren und leiden ab der Pubertät an einer Degeneration der Netzhaut, die zur völligen Erblindung führt. Für die Betroffenen bedeutet diese Krankheit eine große Einschränkung in ihrem alltäglichen Leben. Während der Gehörverlust mit Hörgeräten und Cochlea-Implantaten ausgeglichen werden kann, gibt es bislang noch keine Therapiemöglichkeit für das Auge.

In vorangegangen Studien habe sich das Forschungsteam um Prof. Dr. Uwe Wolfrum vom Institut für Zoologie grundlegende Erkenntnisse über die molekularen Prozesse und Mechanismen erarbeitet, die zu dieser schwerwiegenden Erkrankung führen. Auf die Ergebnisse dieser erfolgreichen Grundlagenforschung aufbauend, evaluiere das Mainzer Usher-Therapieteam um Dr. Kerstin Nagel-Wolfrum potenzielle Therapiemöglichkeiten für das Auge. Hierbei liege ein Fokus auf einer Mutation, die in einer deutschen Familie zu der schwerwiegendsten Form des Usher-Syndroms geführt habe. Bei dieser Mutation handele es sich um eine so genannte Nonsense-Mutation im USH1C-Gen, bei der ein Stopp-Signal in der DNA entsteht und folglich die Proteinsynthese vorzeitig abgebrochen werde.

In der Mai-Ausgabe der Fachzeitschrift „Human Gene Therapy“ hat das Forscherteam nun seine neuesten Arbeiten zu den pharmakogenetischen Therapieansätzen für die Behandlung von Usher-Syndrom-Patienten mit Nonsense-Mutationen publiziert, heißt es seitens der Universität. Die Wissenschaftler hätten zeigen können, dass ein kleines Molekül namens PTC124 (Handelsname: Ataluren) das Überlesen des Stopp-Signals im mutierten USH1C-Gen auslöse, dadurch die Proteinsynthese weiterlaufe und das funktionelle Genprodukt in den Zell- und Organkulturen hergestellt werde. Der Wirkstoff PTC124 hätte in der Studie neben seiner Überleseeigenschaft auch eine hervorragende Verträglichkeit in Netzhautkulturen der Maus und des Menschen gezeigt. Zudem sei es dem Team erstmals gelungen, das Überlesen einer Mutation im Auge in vivo nachzuweisen.

„PTC124 wird bereits bei anderen durch Nonsense-Mutationen bedingten Krankheiten wie z.B. der cystischen Fibrose oder der Duchenne-Muskeldystrophie in klinischen Studien getestet. Daher hoffen wir, dass dieser Therapieansatz in naher Zukunft auch für Usher-Syndrom-Patienten eingesetzt werden kann“, erklärt Dr. Kerstin Nagel-Wolfrum.

Zurzeit vergleicht Tobias Goldmann in abschließenden Arbeiten zu seiner Doktorarbeit die Effizienz der Überleserate und die Biokompatibilität weiterer Moleküle, die das Überlesen von Nonsense-Mutationen induzieren, teilt die Universität mit. Dabei stünden vor allem modifizierte Aminoglykoside, Abkömmlinge von handelsüblichen und klinisch erprobten Antibiotika, im Vordergrund. Diese würden vom israelischen Kooperationspartner Prof. Dr. Timor Bassov vom Technicon in Haifa designt und synthetisiert und seien von den Mainzer Forschern auch schon erfolgreich zum Überlesen von Nonsense-Mutationen in Usher-Genen eingesetzt worden. Neben weiterführenden präklinischen Untersuchungen zur Anwendung der Wirkstoffe im Auge plant das Mainzer Usher-Labor, das neuartige Verfahren zur Therapie des Usher-Syndroms möglichst zeitnah in die Klinik direkt zum Patienten zu bringen.

Die translationalen biomedizinischen Forschungsarbeiten zum Überlesen der Nonsense-Mutationen zur Therapie des Usher-Syndroms seien mit Unterstützung durch Fördermittel der FAUN-Stiftung, des EU-Projekts „Syscilia“ und des Graduiertenkollegs der Deutschen Forschungsgemeinschaft GRK 1044 „Entwicklungsabhängige und krankheitsinduzierte Modifikationen im Nervensystem“ durchgeführt worden und seit Kurzem im Mainzer Forschungsschwerpunkt Translationale Neurowissenschaften (FTN) integriert.

Veröffentlichungen:
Goldmann T, Overlack N, Wolfrum U, Nagel-Wolfrum K (2011) PTC124 mediated translational read-through of a nonsense mutation causing Usher type 1C. Hum. Gene Ther. 22:537-547. DOI: 10.1089/hum.2010.067
Goldmann T, Rebibo-Sabbah A, Overlack N, Nudelman I, Belakhov V, Baasov T, Ben-Yosef T, Wolfrum U, Nagel-Wolfrum K (2010) Designed aminoglycoside NB30 induces beneficial read-through of a USH1C nonsense mutation in the retina. Invest Ophthalmol Visual Sci 51:6671-80. DOI: 10.1167/iovs.10-5741

Weitere Informationen:

http://www.ag-wolfrum.bio.uni-mainz.de
http://www.liebertonline.com/doi/abs/10.1089/hum.2010.067 (Abstract)

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