Technik & Sehen
Stereoskopisches Fernsehen ohne Hilfsmittel
Wer bislang ein dreidimensionales Fernsehvergenügen genießen wollte, musste unweigerlich zu einer Pappbrille greifen. Ein Oldenburger Technologie-Unternehmen hat das weltweit erste Fernsehgerät entwickelt, das ein dreidimensionales, extrem kontrastreiches und superscharfes Bild auf sein Plasma-Display zaubert. Dr. Werner D. Bockelmann hat sich dieses Wunderwerk angeschaut, das im Rahmen des unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten stehenden Wettbewerbs „Deutschland – Land der Ideen“ ausgezeichnet wurde.
Ob die von Paul Nipkow 1883 vorgestellte Scheibe mit spiralförmig angeordneten Löchern, ob der Fernsehapparat eines Manfred von Ardenne von 1931 oder das von Walter Bruch 1962 entwickelte PAL-System – immer wieder kamen wesentliche Impulse und TV-Innovationen aus Deutschland. Nun hat das Oldenburger Unternehmen Charisma Technologies GmbH erneut TV-Geschichte geschrieben und den weltweit ersten Plasma-Fernseher im Format 16:9 vorgestellt, der ohne jedes weitere Hilfsmittel einen räumlichen Seheindruck mit scheinbar unendlicher Tiefe generiert.
Die auf dem PAL-System beruhenden TV-Signale übertreffen an Schärfe noch die derzeit maßgebende „HD-ready“-Wiedergabe, weshalb die Entwickler hierfür einen eigenen, klar definierten Standard „HD-executive“ geschaffen haben. Mit diesem neuen System können sämtliche Fernsehsendungen, DVD-Videos, Diapositive, Camcorder-Cassetten und selbst alte schwarzweiß-Filme räumlich wiedergegeben werden. Weder Rotgrün-Vorhalter, noch Polarisationsfilter oder gar die Shutterbrillen der Phasendifferenz-Haploskopie sind vonnöten. Der räumliche Effekt, der sich nach wenigen Minuten Betrachtungszeit einstellt, bleibt über den gesamten 180 Grad-Winkel erhalten. Auch eine Neigung der Bildröhre in der Horizontalen ändert wenig an dem räumlichen Bildeindruck.
Im Gegensatz zu bisherigen 3-D-Monitoren, bei denen das Bild bedrohlich auf den Zuschauer zukommt, wandert es hier in die Tiefe des Monitors. Das bedeutet weniger Stress, hat aber ebenfalls eine erhebliche emotionale Wirkung. Aus diesem Grunde sollen speziell Herzpatienten keine aufregenden Szenen betrachten. Bei der Vorstellung des Gerätes am 3. Februar 2007 wurde ein Film gezeigt, bei dem fünf Bergsteiger in den senkrechten Felsen der Rocky Mountains abzustürzen drohten und der Letzte das Seil gekappt haben wollte, um die anderen vier zu retten. Da atmeten selbst die Journalisten tief durch. Um der ganz erheblichen psychischen Belastung der Zuschauer durch die intensive Räumlichkeit zu begegnen ließen die Veranstalter dem Szenen aus „Star-Wars“ und schließlich einen Show-Film folgen. Der eingeladene Coach der Davis-Cup Mannschaft, Patrik Kühnen, schilderte die großen Vorteile des Systems, mit dem er ganz andere Möglichkeiten zur Analyse seiner Spieler habe. Auch beim Fußball wird man künftig besser entscheiden können, ob der Ball die Torlinie überquert hat oder nicht, sofern ein solches Gerät zur Verfügung steht.
Chancen für die Medizin
Für die neue Technik interessieren sich neben den großen TV-Herstellern auch die Produzenten von PC-Spielen, denen sich die dritte Dimension erschließt. Für die Medizin bieten sich Chancen zur Optimierung stereotaktischer Eingriffe, die noch präziser durchzuführen sind, in der Wehrtechnik schließlich könnten solche Displays in diversen Cockpits wiederzufinden sein.
Über die für uns höchst interessanten technischen Details war den Geschäftsführern nichts zu entlocken, aufgrund der scharfen Wettbewerbssituation gab man sich sehr zugeknöpft und vermied präzise Aussagen über Pixel und Zeilen. Es ist aber davon auszugehen, dass der Effekt durch eine Bearbeitung des Signals erreicht wird und eher dem Arsenal optischer beziehungsweise psychologischer Täuschungen des Gehirns entstammt. Gewisse Parallelen finden sich bei „Google earth“, wo man mit Licht und Schatten räumliche Effekte vermittelt.
Ein Vergleich mit einem konventionellen 2-D-Bildschirm wurde nicht angeboten, denn der Hersteller des ausgewählten Produktes wäre davon sicher wenig erbaut. Immerhin war zu erfahren, dass eine Umschaltung des räumlichen Bildes auf das gewohnte zweidimensionale Fernsehen für den Verbraucher nicht vorgesehen sei. Wozu auch?
Mit der öffentlichen Vorstellung und Preisverleihung im Rahmen des unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten stehenden Wettbewerbs „Deutschland – Land der Ideen“ startete die Markteinführung des „Charisma®“ genannten 43- und 50-Zoll Systems, an dem Entwickler in Oldenburg, Emden, Osnabrück und Hamburg beteiligt waren. Man wird eine eigene Vertriebslinie aufbauen, die exklusiven Service bieten soll. Für Interessenten hat man eine besondere Telefonnummer geschaltet (0700-33 242 747, http://www.charisma-tv.de).