|

Mehr Honorar, mehr Gerechtigkeit?

Eine zentrale Etappe der Honorarreform ist Ende August abgeschlossen worden: Ein Honorarplus von insgesamt 2,7 Milliarden Euro im Vergleich zum Jahr 2007 haben Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der Krankenkassen im erweiterten Bewertungsausschuss festgelegt. Von Angela Mißlbeck.

Die größten Gewinner sind die Ärzte in den neuen Bundesländern. Ihre Vergütung steigt im Durchschnitt um 17,2 Prozent und damit von 81 auf 94 Prozent der Westniveaus. Die durchschnittliche Steigerung in den westlichen Bundesländern gibt die KBV mit 6,9 Prozent an. Dabei liegt die Spannweite zwischen einer schwarzen Null von 1,5 Prozent in Baden-Württemberg und einem dicken Plus von 21,6 Prozent in Thüringen. Verlierer gibt es nicht – zumindest nicht unter den KV-Regionen.

Ob das auch für jede einzelne Augenarztpraxis gilt, lässt sich derzeit noch nicht sagen. „Es wird wahrscheinlich deutschlandweit mehr Gewinner als Verlierer geben“, sagt der 1. Vorsitzende des Berufsverbands der Augenärzte (BVA) Professor Bernd Bertram. Genaues weiß auch der BVA noch nicht. Denn wie viel Prozent der Steigerung bei den Augenärzten ankommt, war bei Redaktionsschluss nicht bekannt. Andere wichtige Stellschrauben sind jedoch bereits festgelegt:

• Der bundesweit einheitliche Orientierungspunktwert für Leistungen innerhalb des Regelleistungsvolumens liegt für 2009 bei 3,5 Cent. Regionale Abweichungen bei Über- oder Unterversorgung sollen erst ab 2010 möglich sein.

• Prävention und Ambulante Operationen bleiben außerhalb des Regelleistungsvolumens und werden außerhalb der vereinbarten Gesamtvergütung vergütet.
• Die Trennung der Honorartöpfe von Haus- und Fachärzten ist für drei Jahre verlängert worden. Sie sollte ursprünglich aufgehoben werden. Nun gibt es zusätzlich einen eigenen Topf für Psychotherapeuten.

• Gemeinschaftspraxen und MVZ erhalten ein gemeinsames Regelleistungsvolumen, das flexibel zwischen den Ärzten aufgeteilt werden kann. Die Regelleistungsvolumina werden aus einer für die Augenärzte einer KV einheitlichen Punktzahl pro Fall und einer individuellen Fallzahl multipliziert mit dem Einheitspunktwert in Euro berechnet. Der Ausgleich zwischen einer höheren Punktzahl und einer geringeren Fallzahl oder umgekehrt ist nicht möglich.

Insgesamt hat die KBV das Ergebnis als gelungenen Kompromiss gewertet. KBV-Chef Dr. Andreas Köhler geht deshalb davon aus dass es zu „keinen großen Umverteilungen“ kommen wird, weder zwischen den Fachgruppen noch innerhalb einer Fachgruppe zwischen konservativen und operierenden Praxen. Die Freie Ärzteschaft hielt jedoch auch nach dem Beschluss an ihrem Protesttag am 19. September fest. Spezielle Kritik an der Höhe des Einheitspunktwerts kam von Seiten der Vertreterversammlung der KV Nordrhein.

„Insgesamt ist dieser Beschluss ein Schritt in die richtige Richtung, aber es darf auf keinen Fall dabei bleiben. Auch in den Folgejahren müssen weitere ernsthafte Vergütungserhöhungen kommen“, sagt BVA-Chef Bertram. Er sieht einige Aspekte durchaus kritisch. So äußert auch er Zweifel, ob ein Punktwert, der um fast ein Drittel unter dem Kalkulationspunktwert von 5,11 Cent liegt, das richtige Signal sei. Zudem warnt er davor, dass sich dieser niedrige Punktwert in Kombination mit den neuen Regelleistungsvolumen in manchen Regionen nachteilig auswirken kann. Probleme bekämen die Ärzte in den KV-Bezirken, in denen bislang höhere Punktwerte durch rigide Mengenbegrenzungen gegolten haben, wie zum Beispiel in Nordrhein und Schleswig-Holstein.

Problematisch kann für manche Praxen auch die Festlegung einer Punktzahl pro Fall nach dem Fachgruppendurchschnitt werden. Der BVA geht davon aus, dass diese Punktzahl bei Augenärzten nicht wesentlich über der Grundpauschale liegt. Das hätte bei den Augenärzten dieselben Folgen, über die die Hausärzte durch die Pauschalierung im EBM 2008 bereits jetzt klagen: Praxen mit einem speziellen Leistungsangebot wären benachteiligt. „Die spezialisierte nicht-operative Augenheilkunde wird praktisch nicht bezahlt. Ein differenziertes Angebot für GKV-Patienten ist kaum mehr möglich“, so Bertram.

Die Reformarbeiten am EBM 2009 gingen nach dem Beschluss zur Vergütungserhöhung fleißig weiter. Nach Redaktionsschluss wurden noch einige Beschlüsse zur Leistungsbewertung gefasst, die bereits ab 2009 wirksam werden sollen. Ab 2010 kommt wieder eine neue Abrechnungswelt für die Fachärzte. Spätestens 2011 sollen die Fallpauschalen für die einzelnen Arztgruppen eingeführt werden. Dabei wird sicher auch der Ophdo erneut diskutiert werden. KBV-Chef Köhler setzt weiterhin darauf, dass der anhaltende Umbau des Honorarsystems „zu einer leistungsgerechten Vergütung in Euro und Cent“ führen wird. Sein Fazit: „Die neue morbiditätsbedingte Gesamtvergütung ist gerechter und transparenter.“ – „Abwarten“, meint dagegen BVA-Chef Bertram.

Ähnliche Beiträge