Kongress DGII 2008
Vom 14. bis 16. Februar tagt in Heidelberg die Deutschsprachige Gesellschaft für Intraokularlinsen-Implantation, interventionelle und refraktive Chirurgie (DGII). Zu den besonderen Schwerpunkten des Programms gehört in diesem Jahr die Linsenchirurgie. Multifokallinsen im Rahmen des refraktiven Linsenaustausches, aber auch torische Linsen und Sonderlinsen in der IOL-Chirurgie sind ebenso kongresssbestimmend wie die Entwicklungen im Bereich der Phakotechnologie. DER AUGENSPIEGEL sprach mit dem diesjährigen Tagungspräsidenten Prof. Dr. Gerd U. Auffarth (Heidelberg) über die 22. Jahrestagung.
DER AUGENSPIEGEL: Auf der letztjährigen Tagung wurde beschlossen, den Namen der DGII um den Begriff „interventionelle Chirurgie“ zu erweitern. Welche Überlegungen standen dabei im Vordergrund?
Prof. Dr. Gerd U. Auffarth: Es gibt viele Verfahren der Ophthalmochirurgie, die im vorderen Augenabschnitt durchgeführt werden und eher als Intervention denn als Operation zu bezeichnen sind, wie beispielsweise die intravitrealen Injektionen oder auch Eingriffe der Glaukomchirurgie. Diese Verfahren werden in dem Begriff, um den sich die DGII im Titel erweitert hat, zusammengefasst. Solche Themen gab es immer schon im Programm der DGII, so auch in diesem Jahr beispielsweise die Sitzung zur Kombination von Katarakt_chirurgie und intravitrealer Injektion. Hierbei handelt es sich um Eingriffe, die durchaus auch außerhalb der Klinik in einem kleinen OP oder einer Praxis durchgeführt werden können. Zukünftig wird die Injektionstherapie eine größere Rolle spielen, da bekanntermaßen mit einer wachsenden Anzahl von Patienten mit entsprechender Indikation zu rechnen ist. Und als DGII möchten wir mit der Begriffserweiterung ganz explizit auch die Kollegen ansprechen, die schwerpunktmäßig im vorderen Augenabschnitt tätig sind.
DER AUGENSPIEGEL: Die jährlichen Kongresse der DGII stellen jeweils zu Beginn des Jahres das erste Forum dar, auf dem wissenschaftlich fundiert die neuesten Forschungsergebnisse und Trends in der Kataraktchirurgie und Refraktiven Chirurgie wiedergegeben werden. Was sind die diesjährigen Schwerpunkte?
Prof. Dr. Gerd U. Auffarth: Selbstverständlich ist der Tätigkeitsschwerpunkt des jeweiligen Tagungspräsidenten auch mitprägend für das aktuelle Programm der DGII-Tagung und in diesem Jahr rücken die Intraokularlinsen, wie Multifokallinsen, torische Linsen und Sonderlinsen, in den Vordergrund. Torische Linsen sind im letzten Jahr sehr populär geworden. Zwar werden sie in Deutschland schon lange eingesetzt, sie wurden aber bislang nur von zwei oder drei Firmen angeboten. Viele Firmen haben jetzt zugleich ihr Produktprogramm um torische Linsen erweitert, was zu einer breiteren Anwendung geführt hat und sie zu einem festen Bestandteil der IOL-Chirurgie macht. Weitere Sitzungen widmen sich speziellen Linsen wie Blaulichtfilter-IOL, asphärischen Linsen oder Piggybag-Linsen. Im Bereich der Refraktiven Chirurgie gibt es Sitzungen zur refraktiven Hornhautchirurgie und phaken Linsen, aber insgesamt nimmt dies etwas weniger Raum ein als die Linsenchirurgie.
DER AUGENSPIEGEL: Welche Entwicklungen gibt es im Bereich der Medizintechnik?
Prof. Dr. Gerd U. Auffarth: Bei der Phakotechnologie gibt es nun, nach einem längeren Stillstand, wieder einige neuere Entwicklungen: Themenbestimmend wird die Einführung der oszillatorischen Phako sein. Diese neuen Phakogeräte, die auf den Markt kommen, kennzeichnen einen Trend weg vom Ultraschall hin zur Niedrigenergie-Phako: Die Schwingungsfrequenzen bei den neuen Geräten sind von über 40.000 auf 30.000 reduziert worden. Hier hat sich also einiges geändert! Aber auch alles, was computertechnisch möglich ist, hält Einzug in den OP: Fußschalter können per Bluetooth bedient werden, Phakogeräte haben zugleich einen Videorekorder integriert, die den Eingriff aufzeichnen und anschließend eine Überprüfungen der OP mit den jeweiligen Parametern erlauben, was natürlich auch einen Lerneffekt ermöglicht! Solche Entwicklungen sind sehr interessant, zumal man vor zwei bis drei Jahren dachte, dass man das Optimum erreicht hätte. Nun aber sieht man, dass mit den allgemeinen technologischen Entwicklungen auch bei uns immer noch eine Verbesserung erzielt werden kann.
Eine weitere interessante Entwicklung auf dem Markt betrifft die Art und Weise wie IOL implantiert werden: die Pre-loaded-Sys_teme. In diesem Jahr wird fast jede Firma ihre Linsen mit einem passenden Pre-loaded-Injektorsystem anbieten. Wir haben nicht nur verschiedene Vorträge hierzu im Programm, sondern bieten auch ein Wetlab an, bei dem zehn verschiedene Firmen ihre Systeme vorstellen, die dann von den Ärzten ausprobiert werden können. Das ist eine Form des Linseneinsatzes, die sicherlich zum Standard werden wird.
DER AUGENSPIEGEL: Multifokallinsen bei Presbyopie bieten neue Perspektiven. Wie sind die bisherigen Ergebnisse zusammen zu fassen?
Prof. Dr. Gerd U. Auffarth: Multifokallinsen im Rahmen des refraktiven Linsenaustausches sind ein wichtiges Thema, das wie auch im letzten Jahr kongressbestimmend sein wird. Alle großen Firmen haben jetzt entsprechende Linsen auf den Markt gebracht, so dass sich Multifokallinsen immer mehr durchsetzen. Nach einer rund zwanzigjährigen Entwicklungsphase haben wir nun zum einen sehr gute Informationen über die erforderlichen Selektionskriterien beim Patienten vorliegen. Das heißt, wir können recht genau die richtigen Patienten auswählen und gut kalkulieren, welches Ergebnis sich nach der Operation zeigen wird. Zum anderen hat es Verbesserungen bei den Multifokallinsen gegeben, beispielsweise hinsichtlich der Bildqualität, oder sie haben asphärische, intermediäre Zonen, so dass manch photopische Phänomene deutlich verringert sind. Im Vergleich zu den akkommodativen Linsen wissen wir also ziemlich genau, woran wir sind, so dass die Multifokallinsen auch in den nächsten Jahren weiterhin eine große Rolle beim refraktiven Linsenaustausch spielen werden.
DER AUGENSPIEGEL: Sie haben im letzten Jahr erstmals eine individuell angepasste asphärische, torische multifokale IOL implantiert. Was hat sich seither im Bereich der Sonderlinsen getan?
Prof. Dr. Gerd U. Auffarth: Zu den eben genannten Selektionskriterien gehört, dass beim Patienten kein Astigmatismus vorliegen sollte oder nicht mehr als ein bis anderhalb Dioptrien. Man sieht in der refraktiven Sprechstunden aber sehr häufig Patienten, die neben einem höhergradigen Sehfehler auch oftmals noch einen_ Astigmatismus aufweisen. Es wäre folglich eine erhebliche Erweiterung des Indikationsspektrums, wenn man den Torus mit auskorrigieren könnte. Vor etwa anderhalb Jahren haben wir in Heidelberg gemeinsam mit der Firma Rayner eine entsprechende Linse entwickelt und mit sehr gutem Ergebnis eingesetzt. Hierdurch ermutigt haben wir weitere Patienten, auch weltweit, mit einer solchen Linse versorgt. Wir stellten fest, dass die Kombination verschiedener optischer Faktoren vom Auge gut toleriert wird und auch zu sehr guten funktionellen Ergebnisse führen kann. Vorstellbar ist, Multifokallinsen mit fixem Torus herzustellen, beispielsweise mit 1,5 und 3 dpt Torus, und hätte damit das Spektrum für Multifokallinsen bis hin zu vier bis fünf Dioptrien Hornhautverkrümmung erweitert. Damit hätte man fast 90 Prozent aller Patienten abgedeckt – natürlich vorausgesetzt, dass die anderen Selektionskriterien erfüllt sind. In diesem Bereich werden sicherlich bald Standardlinsen, auch zu einem interessanten Preis, auf den Markt kommen.
DER AUGENSPIEGEL: Auch in diesem Jahr gewähren ausländische Kollegen in ihren Vorträgen einen Blick über die Landesgrenzen. Wo lohnt sich der Blick auf die Problemlösung internationaler Kollegen?
Prof. Dr. Gerd U. Auffarth: Es ist zum einen interessant zu sehen, dass auch in Asien oder Amerika ähnliche Probleme diskutiert werden wie bei uns. So wird ein Kollege aus Hongkong über custom match sprechen, das also ein weltweites Thema ist. Andererseits gibt es auch ausländische Kollegen, die einen völlig anderen Arbeitsalltag haben als wir und damit auch Probleme, die wir nicht kennen: Dies betrifft vor allem die ehemals kommunistischen Länder, wo die Kollegen in überkommenen Versorgungsstrukturen arbeiten, die sich gravierend von unseren unterscheiden. Wenn osteuropäische Kollegen von ihrem Alltag berichten, relativiert dies auch schon mal die von uns beklagten Schwierigkeiten.
DER AUGENSPIEGEL: Insbesondere das Angebot für ophthalmologisches Assistenzpersonal wurde erheblich aufgestockt. Was bedeutet dies für die Ausrichtung des Programms?
Prof. Dr. Gerd U. Auffarth: Mir ist dieses Angebot wichtig, denn wenn das Assistenzpersonal gut ausgebildet ist und man die Mitarbeiter ernst nimmt, wirkt sich das sehr positiv auf die Zusammenarbeit aus. Die angebotenen Kurse bieten eine gute und wichtige Gelegenheit praktische Erfahrungen zu sammeln, für die im Klinikalltag wenig oder selten Gelegenheit ist. Wir haben unter anderem einen Phako-Kurs für Schwestern und einen Nähkurs für Assistenzärzte eingeführt – beides war sofort ausgebucht. Die praktischen Anwendungen sind sehr beliebt und stellen eine gute Ergänzung zum Hauptprogramm.
Ich denke, wir werden mit der diesjährigen DGII ein sehr gutes Ergebnis erzielen, da das sehr gute Programm, die hohe Akzeptanz der Kurse und die in diesem Jahr besonders umfangreiche Industrieausstellung eine große Anzahl von Teilnehmern anziehen wird.
DER AUGENSPIEGEL: Herr Professor Auffarth, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Das Interview führte Ulrike Lüdtke
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