Interdisziplinäres Kooperationsprojekt zum Sehen lernen

Wissenschaftler der Universität Jena starten ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, um die neurobiologischen Mechanismen beim frühkindlichen Sehenlernen zu entschlüsseln.

In dem Kooperationsprojekt werden die Jenaer Neurowissenschaftler gemeinsam mit Priv.-Doz. Dr. Maxim Volgushev von der Ruhr-Universität Bochum und Dr. Fred Wolf vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen untersuchen, wie das Gehirn lernt, gesehene Szenen immer besser zu verarbeiten. „Unmittelbar nach der Geburt ist die Sehrinde des Gehirns noch nicht empfänglich für das Lernen durch visuelle Erfahrung“, erläutert Prof. Dr. Siegrid Löwel von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Erst ein bis zwei Wochen nach dem ersten Augenöffnen kann visuelle Erfahrung bewirken, dass die neuronalen Schaltkreise, die die Sehinformation in der Hirnrinde verarbeiten, umgebaut werden. „Wir wollen klären, warum die Fähigkeit zum Erfahrungslernen erst zu einem späteren Zeitpunkt eingeschaltet wird“, so Löwel. Die Neurobiologin und ihre Kollegen vermuten, dass erst zu diesem Zeitpunkt die Kommunikation der Nervenzellen die erforderliche zeitliche Präzision erreicht. Um diese Vermutung zu prüfen, wollen die Forscher nun mathematische Modellierungen mit neuen Verfahren zur Charakterisierung der zeitlichen Präzision der Informationsverarbeitung einzelner Neurone kombinieren. Außerdem wollen sie die Sehleistung und Neuroplastizität messen.

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Eine Maus beim Sehtest: Statt Buchstaben
und Zahlen muss sie bestimmte Streifenmuster
erkennen. (Foto: Götze/FSU)

Dafür werden Labormäuse einer Art Sehtest mit Streifenmustern unterworfen, der ermittelt, wie klein die Details sein können, die gerade noch erkannt werden. Erkennen die Tiere die Muster, folgen sie ihnen mit dem Kopf. „Dabei werden sie mit einer Kamera beobachtet und so können wir ihr maximales Auflösungsvermögen im Verhaltenstest bestimmen“, so Löwel. Gleichzeitig lässt sich mit Hilfe eines speziellen bildgebenden Verfahrens, die Aktivität von Nervenzellen optisch ableiten. Neben dem Labor von Prof. Löwel am Institut für Allgemeine Zoologie und Tierphysiologie der Jenaer Universität besitzen weltweit nur eine Handvoll Institute ein derartiges System, das Aktivitätsmuster des Gehirns mit sehr viel höherer Auflösung zeigt als zum Beispiel ein Kernspintomograph. Von den Untersuchungen, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden, erhoffen sich die Forscher neue Konzepte für die Diagnostik und Therapie von Störungen des zentralen Nervensystems.

http://www.uni-jena.de

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