Größer oder heller? Wie retinale Nervenzellen Bilder analysieren

Forscher der Universitätsmedizin Göttingen und des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie Martinsried haben Mechanismen in den retinalen Nervenzellen gefunden, die beim Sehen zwischen kleinen, kontrastreichen und großen, kontrastarmen Objekten unterscheiden lassen. Wie die Universität Göttingen mitteilt, konnten die Wissenschaftler zeigen, dass es zwei unterschiedliche Arten von Nervenzellen in der retinalen Netzhaut des Auges gibt: Die eine Art von Nervenzellen sei darauf spezialisiert, kleine Objekte zu erkennen. Andere Nervenzellen seien Experten beim Erkennen großer Objekte. Zusammen stellten diese Nervenzellen dem Gehirn die nötige Information zur Verfügung, um das Sehen und Unterscheiden von Objekten zu ermöglichen.

Die Untersuchungen zur Grundlagenforschung des Sehens unter der Leitung von Prof. Dr. Tim Gollisch, Professor für Sensory Processing in the Retina in der Abteilung Augenheilkunde und Forscher im Sonderforschungsbereich 889 „Zelluläre Mechanismen sensorischer Verarbeitung“ an der Universitätsmedizin Göttingen, wurden jetzt im renommierten Wissenschaftsmagazin „Neuron“ veröffentlicht.

Entdeckt haben die Wissenschaftler aus Martinsried und Göttingen die beiden unterschiedlichen Arten von Nervenzellen bei ihren Untersuchungen in der Netzhaut von Salamandern. Dabei fanden die Forscher auch heraus, wie diese beiden Arten von Nervenzellen ihre jeweiligen Aufgaben erledigen: „Zellen, die für große Objekte zuständig sind, erhalten zusätzliche hemmende Signaleingänge. Die hemmende Wirkung entfaltet sich bei starkem Kontrast, also bei besonders hellen Objekten vor dunklem Hintergrund oder umgekehrt“, so Prof. Dr. Tim Gollisch. „Daher sind kleine, kontrastreiche Objekte nicht gut geeignet, um diese Zellen zu aktivieren. Stattdessen führen große, kontrastärmere Objekte zu vermehrtem Feuern der Nervenzellen, da nun keine Hemmung auftritt. Bei den Nervenzellen, die für kleine Objekte zuständig sind, fehlen hingegen diese hemmenden Signale, sodass die Zellen schon auf kleine, aber kontrastreiche Objekte stark reagieren.“

Dem Salamander selbst erlaubt diese Spezialisierung der Nervenzellen in seinem Auge möglicherweise die Unterscheidung zwischen kleinen Beutetieren und größeren Fressfeinden, die es auf den Salamander abgesehen haben, so vermuten die Forscher. Auch beim Menschen könnte eine vergleichbare Unterscheidung zwischen kleinen und großen Objekten auf ähnliche Weise schon in der Netzhaut des Auges stattfinden. Sie würde beispielsweise für eine schnelle Reaktion sorgen, wenn aus dem Augenwinkel her Gefahr droht.

Originalveröffentlichung: Bölinger D, Gollisch T (2012). Closed-loop measurements of iso-response stimuli reveal dynamic nonlinear stimulus integration in the retina. Neuron 73: 333-346, doi: 10.1016/j.neuron.2011.10.039

Quelle:
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
http://www.retina.uni-goettingen.de

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