Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus

Der 27. Januar als Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus sollte in dem kollektiven historischen Gedächtnis der Bevölkerung Deutschlands einen dauerhaften Platz einnehmen und gleichzeitig eine Botschaft über die Grenzen unseres Landes hinaus sein. Mit diesen Worten lassen sich das Öffentliche Gedenken in Berlin sowie auch alle anderen Gedenkveranstaltungen anlässlich dieses Tages in unserem Lande beschreiben. Auf Einladung des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Jürgen Dusel, wurde am Mittwoch, 29. Januar dieses Jahres, in einer öffentlichen Kranzniederlegung am Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde an der Tiergartenstraße 4 in Berlin gedacht. In diesem Jahr lag der Fokus der Veranstaltung insbesondere auf den Schicksalen der blinden Opfer.

Zum Gedenktag selbst, dem 27. Januar, hatte Jürgen Dusel in das „Kleisthaus“ in Berlin, Mauerstraße 53, Sitz des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, eingeladen. Im Rahmen des Programmes „Kultur im Kleisthaus“ nahmen die Eingeladenen an einer Lesung des blinden Autors Bernd Kebelmann teil, der vor allem aus dem Text „Alpträume auf der Orgelbank, ein blinder Organist, seine Musik – und sein Schweigen“ vortrug. Der Text beruhte auf bis in die Tiefe der Persönlichkeit reichenden Gesprächen, die Kebelmann mit einem blinden Organisten, den im Alter von 23 Jahren das Schicksal der Zwangssterilisation traf, geführt hat. Im Wechsel mit Dusel, sozusagen im „Dialog“, und begleitet von Dr. Dietmar Gräf am Flügel und mit Trompete mit eigenen Kompositionen und Stücken bekannter Komponisten wie Robert Schumann und Franz Liszt, zeichnete Kebelmann ein Portrait des Leidenden, transformiert aus der als Zuhörender erfahrenen Wirklichkeit. Nicht nur die Trauer um den Verlust eines Teils seines Lebens, welches bereits durch die Blindheit eingeschränkt war, sondern auch die damit verbundene Scham wurden durch die Worte des Autors sichtbar. Ergänzend beschrieb Dusel die Wirklichkeit der während der Zeit des Nationalsozialismus begangenen Verbrechen an Behinderten. In Zahlen geschätzt wurden 200.000 Menschen in dem damaligen Deutschen Reich ermordet, 300.000 in ganz Europa; 400.00 wurden Opfer der Zwangssterilisation aufgrund des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, nachdem dieses bereits am 1. Januar 1934 in Kraft getreten war. Da die Zahlen, so erschreckend sie auch sind, nicht das persönliche Leid der Betroffenen widerspiegeln, versucht man seitens der Gedenkstätten in zunehmendem Maße, persönlichen Schicksalen eine Stimme zu geben. Im Anschluss an den Vortrag kam eine Diskussionsrunde zu diesem Thema zusammen.

Fazit und Ausblick: Auch wenn nach dem derzeitigen Stand der Forschung die Augenheilkunde nicht in dem Maße wie andere Fächer – so die Fächer, in deren Kompetenz die Sterilisation fiel – in die Auswirkung dieser NS-Gesetze involviert war, so war sie doch auch Teil des Räderwerkes der Maschinerie des NS-Staates. Zur Realisierung der von Jürgen Dusel ausgesprochenen Empfehlung, dieses Thema weiter wissenschaftlich zu verfolgen, könnte möglicherweise die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) in Zusammenwirken mit der Julius-Hirschberg-Gesellschaft (für die Geschichte der Augenheilkunde) beitragen.

Dr. Udo Hennighausen, Hamburg
Katarzyna Palka, Berlin

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