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Fortbildung in Leipzig

Zur Jahrestagung der Sächsischen Augenärztlichen Gesellschaft (Teil 1)
Zur Jahrestagung der Sächsischen Augenärztlichen Gesellschaft hatte Prof. Dr. Peter Wiedemann, Ordinarius für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Leipzig, im vergangenen November ins Congress Center Leipzig geladen. Rund 600 Teilnehmer folgten der Einladung zur Tagung, die ein umfassendes Programm in acht wissenschaftlichen Sitzungen mit 56 Beiträgen von Referenten aus dem Bundesgebiet sowie Nachbarländern bot. Ein Bericht von Dr. Udo Hennighausen.

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Die Themen der wissenschaftlichen Sitzungen waren dem vorderen Augenabschnitt, hier insbesondere der Hornhaut und der Linse, dem Glaukom, der Orbita sowie den Erkrankungen der Netzhaut und des Glaskörpers gewidmet. Die Beiträge waren praxisnah und behandelten aktuelle Themen:

Hornhaut & Linse

In der ersten wissenschaftlichen Sitzung (Hornhaut/ Linse) sprach Prof. Dr. Gernot I .W. Duncker (Halle/Saale) über die Indika­tionen und Grenzen refraktiver Kunstlinsenimplantate einschließlich des refraktiv indizierten Linsenaustausches. Die Indikationen für ­diese Eingriffe liegen vorwiegend in den Refraktionsbereichen oder Hornhautdicken, bei denen eine refraktive Hornhautchirurgie nicht mehr möglich ist. Neueste Entwicklungen sind torische intraokulare Multifokallinsen.

Dr. Jens Schrecker (Glauchau), Dr. Frederik Raiskup-Wolf (Dresden) und Dr. Hans-Peter Iseli (Zürich) behandelten in ihren Beiträgen das Thema Kollagencrosslinking: Wichtig zu wissen ist, dass im ersten Vierteljahr nach dem Eingriff mit einem schwankenden Visus zu rechnen ist und dass in etwa der Hälfte der Fälle ein Haze entstehen kann, der aber auf topisch applizierte Steroide gut anspricht. Komplikationen, wie ein persistierender Epitheldefekt der Hornhaut (eine bestehende Atopie kann hierfür ein Risikofaktor sein), eine (infektiöse) Keratitis sowie ein Einwachsen von Epithel sind sehr selten. Weitere Indikationen für das Kollagencrosslinking können einschmelzende Prozesse der Hornhaut sein, so dass eine Keratoplastik à chaud vermieden werden kann, sowie das Hornhautödem bei Fuchsscher Endotheldystrophie.

Prof. Klaus Peter Steuhl (Essen) stellte im Rahmen seines Vortrages über die Therapie der Limbusstammzellinsuffizienz das „Tissue Engineering von Limbusepithel“ vor: Hierbei werden Stammzellen drei Wochen lang auf einer Amnionmembran, die als Basalmembran fungiert, kultiviert und anschließend mit Hilfe dieser auf die geschädigte Hornhaut übertragen.

Dr. Marcus Kernt und Mitarbeiter (München) berichteten über ihre Laborversuche mit retinalem Pigmentepithel, in denen sie die protektive Wirkung von das Blaulicht absorbierenden mit lediglich das UV-Licht absorbierenden Intraokularlinsen verglichen: Die das Blaulicht absorbierende IOL hatte die bessere protektive Wirkung.

Prof. Dr. Berthold Seitz (Homburg/Saar) gab eine sehr gute Übersicht über die Stadien sowie die jeweiligen Behandlungsoptionen der Herpeskeratitis: Wichtig für die Nachsorge nach Keratoplastik wegen einer herpetisch bedingten Hornhautnarbe ist die Gabe von Aciclovir-Augensalbe zur Nacht sowie die systemische Gabe von zwei mal 400 mg Aciclovir täglich für mindestens ein Jahr, außerdem dürfen hier Steroide grundsätzlich nur mit gleichzeitigem Aciclovirschutz gegeben werden.

Glaukom

In der zweiten und dritten wissenschaftliche Sitzung wurde das Glaukom behandelt:
Prof. Dr. Jörg Dräger (Hamburg) berichtete in seinem Vortrag über die Früherkennung der Glaukome, insbesondere über das Selbsttonometer für Patienten sowie eine Weiterentwicklung desselben, das so genannte automatische Arzttonometer.

Prof. Dr. Anselm G. M. Jünemann und Mitarbeiter (Erlangen) fanden in einer Langzeitstudie an 668 Patienten des Erlanger Glaukomregisters, dass das Risiko einer Progression eines primären Offenwinkelglaukoms bei einer Langzeitvariabilität des bei der ambulanten Untersuchung gemessenen Augeninnendruckes, des so genannten office IOD, von mehr als 8 mmHg erhöht ist, wobei der minimale IOD in dieser Patientengruppe niedriger, der maximale IOD aber nicht höher war als in der Gruppe mit niedrigerer Langzeitvariabilität.

Dr. Karin Hornykewycs und Mitarbeiter (Dresden, Salzburg) berichteten über gute Langzeitergebnisse bei der Behandlung von okulärer Hypertension und Glaukom mit der selektiven Lasertrabekuloplastik (SLT), diese Methode ist auch als First-Line-Therapie möglich.

Dr. Katja Göbel und Mitarbeiter (Berlin) zeigten an Hand von Fallbeispielen die Bedeutung neuerer perimetrischer Verfahren zur Früherkennung von Gesichtsfeldausfällen bei Glaukom, so die Blau-Gelb-Perimetrie, die Frequenzverdopplungs- und die Flimmerperimetrie.

Priv.-Doz. Dr. Andreas G. Böhm (Dresden) berichtete über die Wertigkeit der bildgebenden Verfahren, insbesondere über HRT und GDxVCC, bei der Diagnose des Glaukoms: Diese können die Biomikroskopie der Papille, sei es Skizze oder Fotodokumentation, nicht ersetzen, sondern nur ergänzen: So unterlaufen dem HRT bei kleinen und bei großen Papillen Fehlbeurteilungen, außerdem können bei der Messung der Papillenexcavation mit dieser Methode Gefäße nicht vom neuroretinalen Randsaum unterschieden werden.

Prof. Dr. Lutz E. Pillunat (Dresden) gab ein Übersichtsreferat über die Differenzialdiagnose und Therapie der Sekundärglaukome: Jedwede Augeninnendrucksteigerung als Folge einer okulären Erkrankung, unabhängig davon, ob ein Gesichtsfeldschaden vorliegt oder nicht, gilt definitionsgemäß als Sekundärglaukom.

Dr. Christian Foja (Leipzig) sowie Dr. Julia Beutel und Mitarbeiter (Lübeck) berichteten in ihren Beiträgen zum Sekundärglaukom aufgrund einer Minderperfusion der Netzhaut beziehungsweise des Augapfels über den Einsatz von Bevacizumab (Handelsname: Avastin): Als Adjuvanz zur etablierten Kausaltherapie, frühzeitig am Ort der Neovaskularisation (intracameral oder intravitreal) gegeben, kann es die Ausbildung oder Progression einer Rubeosis iridis verhindern oder zumindest vermindern.

Dr. Naim Terai und Mitarbeiter (Dresden) konnten gute Ein-Jahres-Ergebnisse nach Ahmed-Implantationen bei refraktären Glaukomen zeigen: Retrospektiv wurden die Operationsergebnisse von 42 Patienten (42 Augen) ausgewertet: 83 Prozent aller Implanta­tionen wurden ein Jahr postoperativ als Erfolg eingestuft.
Dr. Janek Häntzschel und Mitarbeiter (Dresden) hatten in einer Pilotstudie an 13 Patienten den Einfluss der Akupunktur auf die okuläre Mikrozirkulation bei Glaukompatienten mittels RVA, HRF und OBF untersucht: In der Behandlungsgruppe konnte gegenüber der Vergleichsgruppe eine tendenzielle Steigerung der chorioidalen Perfusion gefunden werden. Diese Ergebnisse bedürfen aber noch der Bestätigung durch die Untersuchung einer größeren Anzahl von Patienten und Probanden.

Prof. Dr. Carl Erb und Mitarbeiter (Berlin, Königswinter, München) berichteten über das Zusammentreffen und den Zusammenhang zwischen Glaukom und Trockenem Auge (TA). Die Ergebnisse der Untersuchungen von über 20.000 Patienten, erfasst im Deutschen Register für Glaukom-Patienten, zeigten: Patienten mit primärem ­Offenwinkelglaukom haben eine um 22 Prozent niedrigere basale Tränenbildung als Probanden ohne Glaukom. Die Inzidenz des TA steigt mit zunehmendem Alter, Dauer der Glaukomerkrankung und ab der Gabe von drei lokalen Antiglaukomatosa an. Das TA hat insgesamt eine hohe Relevanz für die Lebensqualität von Glaukompatienten. Bei Bedarf soll nach Möglichkeit auf konservierungsfreie lokale ­Antiglaukomatosa umgestellt werden. Man sollte auch bedenken, dass Benzalkoniumchlorid eine Halbwertszeit von 20 Stunden hat.

Prof. Dr. Franz Grehn (Würzburg) berichtet in seinem Referat über die pädiatrischen Glaukome und deren Behandlung, die primär ­chirurgisch ist: Die Trabekulotomie, welche Grehn bevorzugt, und die Goniotomie ergeben praktisch gleich gute Ergebnisse: In 70 bis 80 Prozent ist eine gute Drucksenkung zu erwarten, die Operation muss jedoch im Laufe eines Lebens meistens mehrfach durchgeführt werden. Bei Versagen der genannten Operationsmethoden können mit Implantaten, wie der „Kinderversion“ des Ahmed-Implantates, Erfolge erzielt werden. Da bei vor dem neunten Lebensmonat operierten kindlichen Katarakten ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Sekundärglaukoms besteht, sollte eine nicht zu stark ausgeprägte kindliche Katarakt erst nach diesem Zeitpunkt operiert werden. Zu erwarten ist ein Visus von 0,4. Wegen des erhöhten Amblyopierisikos dieser kindlichen Augen sind genaue Kontrollen von Visus, Refraktion und Binokularsehen erforderlich.

Vorderer Augenabschnitt

Die IV. wissenschaftliche Sitzung behandelte den vorderen Augenabschnitt, Orbita sowie das Glaukom:
Dr. Falk Sommer (Dresden) referierte über die Blepharoplastik: Als Komplikation nannte er den Lidtiefstand. Die endokrine Orbitopathie stellt eine Kontraindikation für diesen Eingriff dar, das Missverhältnis zwischen objektivem Befund und subjektivem Leidensdruck ist eine absolute Kontraindikation.
Dr. Anne Hoyer und Mitarbeiter (Dresden) konnten anhand einer Kasuistik eines 83-jährigen Patienten mit rezidivierendem malignem Melanom der Bindehaut am einzigen Auge zeigen, dass Mitomycin C eine weitere Erfolg versprechende Option ist.

Priv.-Doz. Dr. Manfred Jähne (Schneeberg) hatte ein medizinhistorisches Thema gewählt: Samuel Theodor Quelmalz (1696 bis 1758), Professor für Physiologie, Anatomie und Therapie in Leipzig, beschrieb 1750 als Erster in der medizinischen Weltliteratur den Augen-Eiterfluss der Neugeborenen und legte als Ursache den eitrigen Scheidenfluss der Gebärenden beziehungsweise die Gonorrhöe des Vaters dar. Erst 130 Jahre später wurde durch die Credésche Prophylaxe – Carl Sigmund Credé war Professor für Geburtshilfe in Leipzig – der Ophthalmia neonatorum ein Ende gesetzt.

Prof. Dr. Gerhard K. Lang (Ulm) richtete sich in seinem Referat über die Differenzialdiagnose „Rotes Auge“ in erster Linie an jüngere Kolleginnen und Kollegen. Als Prinzip zur Diagnostik der Vorderabschnitte des Auges mit der Spaltlampe zitierte er seinen ophthalmopathologischen Lehrmeister, Prof. Richard Green, am John Hopkins Hospital in Baltimore, der beim Mikroskopieren zu sagen pflegte: „You need to work with a low power magnification, but a high power brain“.

Dr. Andrei Nestler (Leipzig) referierte über die aktuellen Aspekte der Therapie der periokulären Basaliome: Goldstandard der Therapie ist immer noch die chirurgische Excision mit Sicherheitsabstand und histologischer Schnittrandkontrolle, wobei die Operation zweizeitig erfolgen sollte, wie in der anschließenden Diskussion betont wurde. Die Rezidivrate liegt hier bei zwischen 0 und 4,1 Prozent. Alle übrigen Verfahren (Kryotherapie, Radiatio als palliative Maßnahme, Laserablatio bei kleinen, oberflächlichen Tumoren, Photodynamische und Immunmodulatorische Therapie bei superfiziellem Basaliom wie Basalzellnaevussyndrom) haben auch ihren Stellenwert bei entsprechender Indikation, entbehren aber der histologischen Kontrolle.

Priv.-Doz. Dr. Helmut Tegetmeyer (Leipzig) betonte in seinem Referat über Kopfschmerz und Okulomotorik auch seltene primäre Kopfschmerzsyndrome: Beim Cluster-Kopfschmerz ist ein peripheres Horner-Syndrom typisch, auch beim Sunct-Syndrom können gelegentlich Ptosis und Pupillenfunktionsstörungen auftreten, beim Raeder-Syndrom geht eine Trigeminusneuralgie mit einem peripheren Horner-Syndrom einher. Das Tolosa-Hunt-Syndrom und die ophthalmoplegische Migräne werden entsprechend der ­internationalen Kopfschmerzklassifikation den kranialen Neuralgien zugeordnet. Wiederholte Attacken einer ophthalmoplegischen Migräne können zu bleibenden Augenmuskelparesen führen.

Über die konservative Therapie der endokrinen Orbitopathie (EO) berichtete Dr. Ina Sterker (Leipzig), über die operative Prof. Dr. Joachim Esser (Essen): Bei einer milden EO kann zunächst für etwa drei Monate eine Wait-and-see-Strategie verfolgt werden. Risikofaktoren für eine Verschlechterung der Erkrankung wie eine Hyperthyreose oder ein Nikotinabusus müssen ausgeschaltet werden. Eine Radiojodtherapie sollte unter Steroidschutz erfolgen. Bei der aktiven, moderaten bis schweren EO hat sich die intravenöse Gabe von Methylprednisolon unter internistischer Überwachung der Patienten als effektive Therapieoption erwiesen, wobei die Nebenwirkungen geringer sind als bei der Behandlung mit oraler Gabe von Kortikosteroiden (Literatur: Bartalena et al. 2008, Consensus statement of the European group of Graves’ orbitopathy (EUGOGO) on management of Graves’ orbitopathy, Eur J Endocrinol 158: 273 – 285). Eine Kombination mit einer Retrobulbärbestrahlung ist möglich. Bei einer den Visus bedrohenden EO wird Methylprednisolon i.v. hochdosiert als Pulstherapie für die Dauer von drei Tagen empfohlen, bei ausbleibendem Effekt ist (nach etwa ein bis zwei Wochen) eine chirurgische Orbitadekompression erforderlich.

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Abb. 1: Oberlidretraktion bei florider endokriner Orbitopathie (A), 1 Woche nach Injektion von Botulinumtoxin A in den Müllerschen Muskel (B), 1 Woche nach Injektion rechts (C).

Die Orbita-, Augenmuskel- und gegebenenfalls Augenlidchirurgie – in dieser Reihenfolge muss vorgegangen werden – darf erst in der chronisch-fibrotischen Phase erfolgen und bei Befundkonstanz von mindestens einem halben Jahr. Eine wesentliche Bereicherung in der Therapie der Oberlidretraktion für die Zeit des Überganges von der floriden zur chronisch-fibrotischen Phase stellt die transconjunctivale Injektion von Botulinumtoxin A (Abb. 1) in den Müllerschen Muskel dar.

Teil 2 in der nächsten Ausgabe.

 

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