Forschung: Augentropfen auf Nanotechnologiebasis

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert im Rahmen des EXIST-Forschungstransfers das Projekt „nano-I-drops“ an der Augenklinik am Universitätsklinikum Tübingen mit rund 750.000 Euro. Das Team um Projektleiter Dr. Sven Schnichels hat eine drug-delivery-Plattform auf Nanotechnologiebasis für Augentropfen entwickelt, die nun für Therapien gegen das Glaukom weiterentwickelt werden soll.

Augentropfen sind ein gängiges Therapieverfahren für ein breites Spektrum von Erkrankungen in der Augenheilkunde. Wenig bekannt ist aber, wie ineffektiv Augentropfen eigentlich sind. „Wenn Augentropfen korrekt verwendet werden, werden nur ein bis fünf Prozent der applizierten Wirkstoffmenge tatsächlich aufgenommen. Der Rest wird bereits mit dem ersten Lidschlag oder durch den Tränenfilm sofort ausgewaschen“, erklärt Prof. Martin Spitzer, Oberarzt an der Tübinger Augenklinik. Deshalb müssen die Medikamente hoch dosiert werden, was zu Nebenwirkungen führen kann. Außerdem ist es ein großes Problem, dass es den meisten Patienten sehr schwerfällt die Augentropfen zum vorgeschriebenen Zeitpunkt zu nehmen, wenn dies mehrmals am Tag geschehen soll.

Das Team nano-I-drops entstand aus einer Kooperation von Wissenschaftlern des Zernike Instituts (AG Prof. Andreas Herrmann) der Universität Groningen, Holland, und der Augenklinik (AG Prof. Martin Spitzer) der Universität Tübingen. Erfunden und weiterentwickelt wurde diese Plattformtechnologie von Prof. Dr. rer. nat. Andreas Herrmann, Prof. Dr. med. Martin Spitzer, Dr. rer. nat. Jan Willem de Vries und Dr. rer. nat. Sven Schnichels, die mit der Unterstützung der beiden beteiligten Universitäten die Erfindung auch als weltweites Patent angemeldet haben.

„Das Tolle an unseren Nanopartikeln ist, dass sie aus natürlichen, körpereigen Bausteinen bestehen, die wir synthetisch herstellen. Da dem Körper diese Bausteine bekannt sind, verfügt er auch über Mechanismen, diese wieder gefahrlos abzubauen, was ein großer Vorteil gegenüber den zahlreichen bekannten chemischen Nanopartikeln ist“, erklärt der Biologe Schnichels. „Gerade diese Unbedenklichkeit wie auch die Möglichkeit, unsere Plattform mit fast allen verfügbaren Augenmedikamenten zu beladen, heben uns von anderen Nanopartikeln, aber auch anderen Plattformen wie chirurgischen Implantaten ab“, ergänzt der stellvertretende Projektleiter Jan Willem de Vries.

In den nächsten zwei Jahren sollen diese Nanopartikel nun für die Erkrankungen des Glaukoms weiterentwickelt werden. „Das Glaukom ist die zweithäufigste Erblindungsursache der Welt und bis heute gibt es hierfür keine Heilung, sondern nur eine lebenslange Therapie, um die Erkrankung einzudämmen“, sagt Prof. Karl Ulrich Bartz-Schmidt, Ärztlicher Direktor der Uni-Augenklinik Tübingen. „Unsere Plattform bedeutet nicht, dass wir damit das Glaukom heilen können, jedoch werden wir die bestehende Therapie verbessern, für Patienten erleichtern und dadurch ermöglichen, neue bzw. zur Zeit nicht nutzbare Medikamente nutzbar zu machen“, erläutert Mediziner Spitzer.

Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich nun an der Augenklinik in Tübingen ein interdisziplinäres Team aus Medizinern, Biologen, Chemikern, Biotechnologen, Pharmazeuten und Betriebswirten zusammengefunden. Unterstützt werden sie dabei weiterhin von Prof. Herrmann der Universität Groningen, vom Forschungsinstitut für Augenheilkunde Tübingen, dem eyetrial Studienzentrum Tübingen und dem Gründungsnetzwerk der Universität Tübingen.

Letztendlich gilt es, die ganze Plattformtechnologie so aufzubauen und zu schützen, dass diese für Investoren interessant wird. Dies ist notwendig, da die gesetzlich vorgeschriebenen klinischen Studien aus öffentlicher Hand nicht zu finanzieren sind. Ziel der EXIST-Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ist es, dass am Ende der ersten Förderphase ein Unternehmen gegründet wird. „Ich denke, dass wir dieses Ziel erreichen werden“, prognostiziert der Chemiker de Vries, „die ersten Pharmafirmen haben bereits Interesse an unserer Plattformtechnologie signalisiert.“ Die beachtlichen Preise, die das Forscherteam bereits gewonnen hat, bestätigt dies. Darunter sind neben einigen wissenschaftlichen Auszeichnungen zwei Preise von Pharmafirmen in Höhe von über 50.000 Euro sowie zwei betriebswirtschaftliche Preise mit einer Dotierung über 25.000 Euro. Die Möglichkeit ihre Technologie erfolgreich weiterzuentwickeln sollten die Forscher mit der EXIST-Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie nun haben.

Quelle:
Universitätsklinikum Tübingen

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