Die Augenheilkunde wird weiblich

Der Anteil der Frauen in der Medizin wächst seit Jahren stetig. Die Augenheilkunde macht bei dieser Entwicklung keine Ausnahme. Während der Anteil von Ärztinnen in Führungspositionen weitgehend auf niedrigem Niveau stagniert, steigt ihr Anteil in der Fachgruppe stetig. So hat der Frauenanteil in der Augenheilkunde im Lauf der letzten fünf Jahre um knapp zwei Prozentpunkte zugenommen. Unter den 35- bis 40-jährigen Augenärzten ist der Frauenanteil noch sehr viel deutlicher gestiegen. Von Angela Mißlbeck.

Immer mehr Frauen studieren Medizin. Immer weniger Männer gehen in die Patientenversorgung. Ärzteschaft und Politik haben längst erkannt, dass die medizinische Versorgung auf Dauer nur aufrecht zu erhalten ist, wenn Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die es ermöglichen, Beruf und Familie zu vereinbaren. Nach Angaben des Marburger Bundes (MB) können 24 Prozent der Kliniken im Westen und 55 Prozent der ostdeutschen Krankenhäuser offene Arztstellen schon jetzt nicht besetzen. Auch im ambulanten Bereich wächst der Ärztemangel. 2005 konnten nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) 609 Hausarzt- und 224 Facharztpraxen nicht besetzt werden. In manchen ländlichen Gebieten fahren Patienten 100 Kilometer in die nächste Augenarztpraxis, so zum Beispiel im Brandenburgischen Oderbruch.

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Dr. Astrid Bühren, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbunds.

Die Politik hat die Konsequenz gezogen und mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz für die ambulante Versorgung Möglichkeiten der ärztlichen Berufsausübung geschaffen, die besser mit dem Familienleben zu vereinbaren sein sollen. Dazu zählen zum Bespiel Teilzeitzulassungen oder Angestelltentätigkeiten in Medizinischen Versorgungszentren oder Praxen. Dr. Astrid Bühren, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbunds, hält das noch nicht für ausreichend. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben nach ihrer Meinung noch Hausaufgaben zu erledigen. So würden vielerorts Vertretungsregelungen bei Schwangerschaft und Geburt fehlen. „Der Mutterschutz findet im niedergelassenen Bereich nicht statt“, sagt sie.

Doch auch in den Kliniken ist es nicht gut um die Karrierechancen von Ärztinnen bestellt. „Viele Frauen absolvieren ihre Promotion mit viel Elan und scheitern anschließend an wenig familienfreundlichen Strukturen. Diese Verschwendung von Kompetenz können wir uns nicht länger leisten“, so Bühren. Zwischen Promotion und Habilitation sinkt der Frauenanteil in der Humanmedizin an Universitäten nach einem Bericht der Bund-Länder-Kommission um 25 Prozent. Fast 14 Prozent der promovierten Ärzte, aber nur drei Prozent der promovierten Ärztinnen habilitieren sich. Nicht einmal zehn Prozent der C3-Professuren und weniger als fünf Prozent der C4-Professuren sind dem Kommissionsbericht zufolge 2002 von Medizinerinnen besetzt gewesen. Nur wenige Frauen schaffen es an die Spitze. Chefärztinnen sind auch außerhalb der Unikliniken noch die Ausnahme (siehe Tabelle unten).

Während der Anteil von Ärztinnen in Führungspositionen weitgehend auf niedrigem Niveau stagniert, steigt ihr Anteil in der Fachgruppe stetig. In der Augenheilkunde hat der Frauenanteil im Lauf der letzten fünf Jahre um knapp zwei Prozentpunkte auf 43,28 Prozent im Jahr 2006 zugenommen (siehe Grafik). Sehr viel deutlicher ist der Frauenanteil unter den 35 bis 40-jährigen Augenärzten gestiegen. Im vergangenen Jahr waren bereits mehr als die Hälfte der Augenärzte dieser Altergruppe weiblich. Im Jahr 2001 lag der Anteil noch bei 46,94 Prozent. Dabei sank die Gesamtzahl der Augenärzte dieser Altersgruppe von 1095 auf 931.

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Prof. Dr. Karin Engelmann leitet die Chemnitzer Augenklinik.

Prof. Dr. Katrin Engelmann ist eine der wenigen ophthalmologischen Chefärztinnen in Deutschland. Ihren Erfolg verdankt sie ihrer Forscherneugier und ihrer zielstrebigen Beharrlichkeit. Ein Indianersprichwort hat sie auf ihrem Weg an die Spitze der Chemnitzer Augenklinik als Motto begleitet: „Niemals kämpfe ich, niemals gebe ich auf“. Man merkt ihr keinen Stress und keine Anspannung an. Engelmann wirkt entspannt, authentisch und überzeugend. Es wundert nicht, als sie sagt: „Nur wenn man sich selbst treu bleibt, überlebt man den Wechsel in die Position des unbeliebten Chefs.“ Noch so ein Indianerwort Marke Engelmann. Mit dem Mittelscheitel im silbernen Haar würde die 50-Jährige selbst gut einen weisen Indianerhäuptling abgeben.

„Häuptling“ ist sie auf ihrem Gebiet geworden. Engelmann gehört zu den wenigen Frauen, die es in eine leitende Position des Klinikbetriebs geschafft haben. Seit Dezember 2005 ist sie Chefärztin der Augenklinik des Klinikum Chemnitz. Zwei Jahre lang haben Headhunter die Leitende Oberärztin für Glaskörper- und Netzhautchirurgie der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde an der Uniklinik Dresden aufgesucht. Beim Angebot aus Chemnitz in der Nähe von Dresden schlug sie zu. Da hatte sie längst gelernt, „dass es nichts schadet, einfach mal ja zu sagen, auch wenn man zunächst Bedenken hat, ob man sich das zutrauen kann“. Mit dieser Einstellung ist die Hamburgerin schon als Assistenzärztin am Universitätsklinikum Eppendorf Leiterin der Hornhautbank geworden.

Der Spaß an Forschung und Labor hat Engelmann vorangebracht. Im Gegensatz zu vielen Frauen, die sich dem Druck der Verhältnisse beugen und sich ausschließlich um die Patienten kümmern „weil es sonst keiner tut“, hat Engelmann sich nicht vom Forschen abbringen lassen, auch wenn das am Feierabend passieren musste. „Der Spagat zwischen Klinik und Forschung ist ganz schlecht für die Karriere von Frauen“, sagt die Chefärztin. Sie meint: Nicht nur für die Karriere von Ärztinnen ist er schlecht. Forschung am Feierabend hält auf Dauer auch Männer ab. „Nichts ist spannender als die Forschung, aber niemand will da mehr hin“, sagt die engagierte Medizinerin. „Ohne Forschung haben wir keine Zukunft“, sorgt sie sich. Gemeinsam mit ihrem Lebenspartner, einem Lehrstuhlinhaber und Institutsdirektor am Dresdner Uniklinikum, hegt Engelmann deshalb einen Traum. Sie möchten zusammen Strukturen schaffen, die Medizinstudenten und junge Ärzte bei der Forschung unterstützen und fördern. Für diesen Traum kämpft sie zwar nicht, aber sie gibt ihn auch nicht auf.

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Buchtipp: Karriereplanung für Ärztinnen. Susanne Dettmer, Gabriele Kaczmarczyk, Astrid Bühren (Hrsg.): Springer Verlag Heidelberg, 2006. 308 Seiten, ISBN: 3-540-25633-4.

Ärztinnen stehen immer wieder vor dem Problem, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Viele scheiden vorzeitig aus dem Beruf aus. Dagegen soll das von der Bundesärztekammer initiierte Karrierehandbuch helfen.

Das Handbuch gibt jungen Ärztinnen Tipps für die Karriereplanung und zeigt Wege, um berufliche Hürden zu meistern. „Jungen Ärztinnen fehlen weibliche Vorbilder“, sagt die Soziologin und Mitherausgeberin Susanne Dettmer. Im Handbuch kommen deshalb gestandene Ärztinnen zu Wort. Etwa die Professorin Doris Henne-Bruns, sie war die erste Ordinaria für Chirurgie in Deutschland. Wie man sich erfolgreich niederlässt und zugleich eine berufspolitische Karriere angeht, zeigt die Geschichte der Allgemeinmedizinerin und Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin Dr. Angelika Prehn. Bei allen Karrieren wird eines deutlich: „Ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor ist die frühe Karriereplanung“, so Dettmer. Dazu liefert das Buch viele praktische Hinweise. So hat etwa die niedergelassene Berliner Hausärztin Dr. Vittoria Braun, die zugleich einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Charité innehat, die Ratschläge für eine Praxisgründung zusammengefasst.

Allem vorangestellt ist ein analytischer Teil über die Situation der Frauen in der Medizin. „Frauen verlieren bereits während des Medizinstudiums das Selbstvertrauen und die Motivation“, sagt Professor Gabriele Kaczmarczyk, eine der Herausgeberinnen. Warum das so ist, zeigt die Psychologin Monika Sieverding in einem Beitrag über psychologische Karrierehindernisse von Frauen.

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