Augenärztliche Untersuchungen auf Cabo Verde

Die Inselwelt Cabo Verde ist erst seit dem 15. Jahrhundert von Menschen bewohnt. Was aber gibt es mitten im Atlantik an Augenkrankheiten? Wenig findet man darüber in der Fachliteratur. Auf Initiative und mit Unterstützung der drei Hilfsorganisationen „Freunde helfen Freunden“, ADEVIC und AMIPAUL reiste Augenarzt Dr. Hannsjürgen Trojan auf die Kapverdischen Inseln, um einen Eindruck der ophthalmologischen Versorgungssituation zu gewinnen, auf deren Grundlage eine mögliche dauerhafte Hilfestellung geschaffen werden soll. Im nachfolgenden Bericht schildert er seine Erfahrungen.

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Abb. 1: Künstliche Terrassen im Lavagestein zur Landgewinnung.

Capo Verde, ein Touristentraum?

Auf den östlichen Inseln findet man eigentlich alles, was sich ein Tourist wünscht: 330 Sonnentage pro Jahr und kilometerlange Strände, meist aber durchsetzt von schroffen Felsen, was bei dem permanent heftigem Seegang ein Baden nur an geschützten Buchten möglich macht. Dennoch: die Besucherzahlen steigen ständig. Überall entstehen gigantische Hotelanlagen mit Tausenden von Betten. Das klingt gut. Was aber bleibt den Kapverdern von dem Erwirtschafteten? Nicht viel. Sicher finden viele Menschen in Hotels und Restaurants Arbeit als Kellner und Zimmermädchen. Auch als Taxifahrer und Bauarbeiter kann man seinen Lebensunterhalt bestreiten. Die meisten Hotels gehören jedoch ausländischen Investoren und die Gewinne werden automatisch ins Ausland transferiert. Auch als bedeutender Umschlagsplatz für Drogen hat Cabo Verde eine traurige Berühmtheit erlangt. 80 Prozent des weltweiten Drogenhandels gehen über Cabo Verde. Die Schiffe aus Südamerika sind schnell und gut bewaffnet. Die Flotte der Kapverder besteht lediglich aus einem nicht mehr seetüchtigen Küstenwachboot, das noch aus der DDR stammt, ohne Bewaffnung, völlig verrostet und ohne Maschine.

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Abb. 2: Strand mit angewehtem Sand vom afrikanischen Kontinent.

Augenärztliche Versorgung

Erstaunlicherweise wird in der offiziellen Statistik des Landes die Augenheilkunde nicht erwähnt, selbst Blinde sind in dieser Statistik inexistent. Rein zahlenmäßig gesehen ist die augenärztliche Versorgung ausreichend, für afrikanische Verhältnisse sogar gut. In der Hauptstadt Praia arbeitet ein Augenarzt und in der heimlichen Hauptstadt Mindelo auf der Insel San Vicente sind es drei, eine weitere Augenärztin hat bei der Regierung den Niederlassungsantrag gestellt. Erfahrungsgemäß dauert es jedoch ein volles Jahr, bis alle Distanzen durchlaufen sind. In Mindelo müssen alle niedergelassenen Augenärzte vormittags in der staatlichen Poliklinik arbeiten. Dort werden mittellose Patienten kostenlos behandelt, müssen aber mit einer halbjährigen Wartezeit rechnen. Beim Besuch in der Privatprechstunde werden 2000 Escudos (etwa 18 Euro) fällig.

Die Augenklinik in Mindelo

Die Augenpoliklinik ist in einem vom Krankenhaus getrennt gelegenen Gebäude untergebracht. In den hellen gekachelten Räumen sind alle notwendigen Geräte vorhanden. Das Humphrey Gesichtsfeld steht unbenutzt in der Ecke. Desgleichen der Nidek Autorefraktor. Die Haag Streit Spaltlampe zeigt deutliche Gebrauchsspuren. Die zwei in Portugal ausgebildeten Orthoptisten arbeiten mit einem neuen Synoptometer. Funduskamera und Laser sind defekt. Warum, ist nicht bekannt und ließ sich bei dem zeitlich limitierten Besuch nicht eruieren. Das ist jedoch momentan ohne Bedeutung, da offensichtlich niemand für deren Bedienung ausgebildet worden ist.

Das japanische Operationsmikroskop steht im Operationssaal der Chirurgie, der einmal pro Woche für einen Nachmittag von den Augenärzten genutzt werden kann. Es bedurfte langer Überredungskunst, den Krankenhausdirektor zu überzeugen, dass in der Augenpoliklinik ohne größere finanzielle Aufwendungen ein Operationssaal geschaffen werden könne, um das Mikroskop maximal nutzen zu können. Angeblich werden 250 Linsen pro Jahr implantiert. Dieser Wert scheint sehr hoch gegriffen zu sein. Eine Möglichkeit zur Berechnung der zu implantierenden Linse ist nicht vorhanden. Die ärztliche Direktorin, eine Augenärztin, war bei der Besprechung nicht anwesend. Zu den Gründen komme ich gleich.

Freunde helfen Freunden e.V.

Die deutsche Organisation „Freunde helfen Freunden“, ein eingetragener Verein mit Sitz in Syrgenstein, geleitet von seinem Gründer Herrn Wolfgang Hundt, engagiert sich auf den kapverdischen Inseln für eine bessere Gesundheitsversorgung. Die Vereinigung hattte sich nun an das Deutsche Komitee zu Verhütung von Blindheit gewandt und um einen Spezialisten gebeten, der auf den Kapverdischen Inseln Zahlen über Augenerkrankungen und Blindheit erstellen soll. Auf dem Boden dieser Befunde will man dann entscheiden, in welcher Form eine dauerhafte augenärztliche Hilfestellung auf der Inselwelt geschaffen werden kann. Da ich mich zeitlich und fachlich in der Lage sah, diese Aufgabe zu übernehmen, reiste ich mit meiner Frau im Februar/März 2008 nach Cabo Verde.
Wir wurden sehr gut untergebracht, die ersten zwei Wochen in einer Offizierswohnung in Mindelo. Dort stand uns das Militär sehr hilfreich zur Seite und stellte uns in der Kaserne Räumlichkeiten für unsere Untersuchungen zu Verfügung. ADEVIC (Associacao dos Deficentes Visuais de Cabo Verde) hatte zuvor die Bewohner der Insel auf die Untersuchungsmöglichkeit aufmerksam gemacht und entsprechende Listen ausgelegt. Über 3.000 Bewohner hatten sich eingetragen Wir schafften während unseres Aufenthaltes aber nur 991 Patienten.

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Abb. 3: Unverzichtbare Mitarbeiter: Von links: Regine Trojan, Patientin Carla und Augenärztin Dr. Karina.

Nach Mindelo auf der Insel Santo Vicente wurden auf der benachbarten Insel Santo Antao weitere 496 Patienten unersucht. Hier half uns die Aktionsgemeinschaft AMIPAUL, die von Herrn Pirez Ferreira geleitet wird. Als ehemaliges Kabinettsmitglied verfügt er über einen großen Einfluss bei der Regierung – aber auch bei der Bevölkerung. Er ist bemüht, Bildung zu vermitteln, d. h. das Schulwesen zu verbessern, um so mitzuhelfen, die wirtschaftliche Aufwärtsbewegung zu forcieren. Er unterhält eine eigene Rundfunkstation mit stündlichen Nachrichten, Musiksendungen und Sprachkursen.
Bei unseren Patienten erfolgte nach der Visusprüfung die Untersuchung mit der aus Deutschland mitgebrachten Spaltlampe sowie eine Ophthalmoskopie. Bei Bedarf wurde eine Druckmessung mit dem Schiotz-Tonometer durchgeführt. (An dieser Stelle sei ausdrücklich den Firmen Ursapharm in Saarbrücken sowie OmniVision in Regensburg für ihre großzügigen Arzneimittelspenden gedankt. Sie haben ermöglicht, dass mittellose Patienten direkt behandelt werden konnten.)

Ergebnisse

Es war uns schon bald klar, dass viele der Patienten, offensichtlich wegen unzureichender Information, meinten, sie würden sofort operiert. Die Katarakt ist offensichtlich nicht häufiger als bei uns. Es waren zumindest nur zehn Patienten, bei denen eine Operation hätte sofort durchgeführt werden müssen. Immerhin war bei 46 Patienten die Linse schon operativ entfernt worden, ic und ec.
Anders hingegen das Pterygium, offensichtlich bedingt durch die ständige mechanische Irritation durch den permanenten Wind. Wir fanden 37 Patienten, bei denen die Bindehaut das optische Zentrum der Hornhaut überwachsen hatte und eine Operation tunlich bald erfolgen müsste. Auffallend hoch war die Anzahl der exzessiven Myopien (minus 20 bis minus 28 Dioptrien). Die fünf Patienten mit einer Aniridie stammen aus drei Generationen ein und der selben Familie, während die Fälle von Retinopathia pigmentosa keine familiäre Häufung aufwies. Eine nicht unbeträchtliche Zahl von Patienten war lediglich zur Anpassung einer Brille gekommen.

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Fazit

Während des dreiwöchigen Aufenthaltes in Cabo Verde hat sich der Eindruck gefestigt, dass die Bevölkerung außerordentlich froh und dankbar über die Möglichkeit war, sich einer kostenlosen Augenuntersuchung unterziehen zu können. Normalerweise kostet eine solche Untersuchung beim einheimischen Ophthalmologen 2000 Escudos, rund 18 Euro, viel Geld in einem armen Land. Hinzu kommt, dass man ein halbes Jahr auf einen Termin warten muss, wenn man die kostenlose Untersuchung in Anspruch nehmen will. Man darf nicht vergessen, dass durch die geographische Situation Hunderte von Kilometern zwischen den Inseln liegen, Entfernungen also, die nur mit einer längeren Schiffsreise oder per Flugzeug zu überwinden sind. Das kann sich aber der „normale“ Kapverdianer nicht leisten.

Die Beiden einheimischen Hilfsorganisationen (ADEVIC und AMIPAUL) hielten erfreulicherweise Hilfspersonal bereit, Mitarbeiter und Studenten, die uns sprachlich und organisatorisch zur Seite standen.
Vor allem den älteren Menschen, zumeist Analphabeten, musste der Sinn unserer Untersuchungen mit viel Geduld auf Kreol erklärt werden,
Die Effektivität unserer 1.500 Untersuchungen wurde durch die fachlich kompetente Mitarbeit der kapverdischen Augenärztin Dr. Karina unterstützt, wenn nicht gar überhaupt ermöglicht. Dr. Karina hat ihre augenärztliche Ausbildung in Sao Paulo/Brasilien erfahren und wartet auf die offizielle Genehmigung der kapverdischen Regierung für die Niederlassung.

Helfer als Konkurrenten

Ein wichtiger Faktor war bei der Planung der Untersuchungsreihe nicht ins Kalkül gezogen worden: die kapverdischen Augenärzte. Diese sind alles andere als begeistert, wenn Ärzte aus Europa kommen und sie durch deren Arbeit mit Einkommenseinbußen rechnen müssen. Eine Augenärztin ist mit einem amtierenden Minister verheiratet. Sie wird alles daran setzen, ihre Pfründe zu retten. Sie ist inzwischen zur ärztlichen Direktoren des Krankenhauses „hochgelobt“ worden und wird auch auf dieser Ebene ihren negativen Einfluss geltend machen. Sie weigerte sich, mit uns zu sprechen.
Wir waren mit der Absicht und dem Versprechen nach Cabo Verde gekommen, später alle notwendigen Operationen durchzuführen zu lassen. Jetzt muss also ein operativ versierter Kollege kommen, um dieses Versprechen einzulösen.

Vor der Entsendung eines deutschen Augenärzteteams müssen jedoch die drei Hilfsorganisationen „Freunde helfen Freunden“, ADEVIC und AMIPAUL durch glasklare Verträge mit den einheimischen Autoritäten, sprich Krankenhausdirektor, Gesundheitsministerium und Ärztekammer dafür sorgen, dass das Team ungestört arbeiten kann. Es ist niemandem zuzumuten, ehrenamtlich in einer feindseligen Umgebung Augenoperationen durchzuführen. Sollten sich die einheimischen Augenärzte gegebenenfalls entschließen, kostenfreie Operationen durchzuführen, wäre natürlich der Einsatz deutscher Augenärzte obsolet. Cabo Verde ist zwar arm, aber keineswegs ein Entwicklungsland.

Cabo Verde
Cabo Verde, ein Inselstaat im Atlantik mit einer Landfläche von 4.033 qkm, liegt 460 km westlich der westafrikanischen Republik Senegal. Den neuesten Statistiken nach leben hier 420.979 Menschen, ein buntes Gemisch aller Hautfarben. Wegen der äußerst angespannten Ernährungslage lebt knapp eine Million Kapverder im Ausland. Regelmäßig schicken sie ihr dort verdientes Geld nach Hause. Diese Emigrantengelder machen knapp ein Viertel des Staatshaushaltes der Republik aus.

Weder Europa noch Afrika
Als portugiesische und in deren Diensten stehende italienische Seefahrer im 15. Jahrhundert diese Inselwelt entdeckten, war sie menschen- und außer einer Fledermausart auch säugetierleer. Was man vorfand, waren Reptilien, die offensichtlich den Weg von Afrika auf die Inseln gefunden hatten. Das Archipel wurde von Portugiesen und Afrikanern besiedelt. Das Resultat war eine kulturelle Mischung des portugiesischen Mutterlandes mit dem Erbe vieler afrikanischer Sklaven. Es entwickelte sich eine mulattische Ethnie, vom Aussehen und von der Kultur her weder europäisch noch afrikanisch. Das führte zu einer typischen kapverdischen Identität, was sich in einer eigenen Sprache ausdrückt, dem kapverdischen Kreolisch. Rassismus ist ein unbekanntes Phänomen. Vor 150 Jahren befand sich in Mindelo eine florierende Kohle-Bunkerstation für die Europa-Südamerika-Schifffahrt. Auch als Schaltstation für die Transatlantik-Telefon-Kabel sind die Inseln heute bedeutungslos geworden.

Vulkane und „Grogh“
Die Inseln sind sämtlich vulkanischen Ursprungs, vor zehn und 15 Millionen Jahren durch gewaltige Eruptionen aus dem Meer geboren und somit ohne Bodenschätze. Die mit den Passatwinden vom Atlantik gebrachte Feuchtigkeit steigt an den luvseitigen Hängen der Insel Santo Antao empor, kühlt ab und fällt als Regen.
Diese Rückseite der Bergkette ist trocken und landwirtschaftlich nicht verwertbar. Der Fruchtanbau an den Nordhängen dieser einen Insel reicht nicht, um das gesamte Archipel zu ernähren. Um Platz für neue Anbauflächen zu gewinnen, werden die Hänge zu Terrassen umfunktioniert. Der Transport der Güter zu den anderen Inseln ist äußerst mangelhaft. Im Übrigen scheint Zuckerrohr mehr Rendite zu bringen als Mais. Die Anbauflächen, die durch Zuckerrohranbau vergeudet werden, gehen der Ernährung verloren. Mit uralten, von Ochsen betriebenen Pressen, wird der Saft aus dem Zuckerrohr gepresst und nach sechstägiger Gärung zu Rum, hier Grogh genannt, destilliert. Dabei entsteht, oft nach nur einmaliger Destillation, sicherlich auch Methanol, der zu einer Neuritis nervi optici mit konsekutiver Atrophie führen kann. Ein Großteil der Bewohner lebt vom Fischfang.
Da es sich aber um kleine Fangeinheiten handelt, haben sie keine Chance, sich gegen die großen Fangflotten anderer Länder behaupten zu können. Insgesamt gesehen ist die Situation hinsichtlich der Ernährung ernüchternd: 90 Prozent der Lebensmittel müssen importiert werden, meist aus Portugal und Süd-Afrika, aber auch aus Deutschland. Friesische Milch und Bayrische Butter sind in jedem Supermarkt wohlfeil …

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