Wie Zellen Schäden am Erbgut erkennen und reparieren

Schäden am Erbgut sind die Ursache zahlreicher Krankheiten. Dabei verfügen Zellen über wirksame Reparaturmechanismen. Einen dieser Signalwege hat sich jetzt ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) genauer angesehen. Dabei hat die Gruppe einen neuen Mechanismus der DNA-Schadensantwort identifiziert, der über ein RNA-Transkript vermittelt wird. Ihre Ergebnisse tragen dazu bei, den Blick auf die DNA-Schadensantwort konzeptionell zu weiten und enger mit dem RNA-Stoffwechsel zu verzahnen.

Verantwortlich für diese Studie war Dr. Kaspar Burger, Nachwuchsgruppenleiter am Lehrstuhl für Biochemie und Molekularbiologie. Die Gruppe hat die Ergebnisse ihrer Untersuchungen in der Fachzeitschrift „Genes & Development“ veröffentlicht. „Wir haben uns in unserer Studie auf sogenannte lange nicht-kodierende RNA-Transkripte konzentriert. Vorherige Forschungsergebnisse sprechen dafür, dass einige dieser Transkripte als Regulatoren der Genomstabilität fungieren“, erklärt Burger den Hintergrund der Arbeit. Im Fokus der Studie stand das im Zellkern angereicherte abundante Transkript 1 – auch NEAT1 genannt. In vielen Tumorzellen ist NEAT1 in hoher Konzentration anzutreffen; bekannt ist auch, dass es auf Schäden am DNA-Strang und auf zellulären Stress reagiert. Seine genaue Rolle bei der DNA-Schadensantwort war bislang jedoch unklar.
Die Experimente von Burger und seinem Team zeigen, dass das gehäufte Auftreten von DNA-Doppelstrangbrüchen die übermäßige Methylierung von NEAT1 hervorruft, was Veränderungen in der NEAT1-Sekundärstruktur nach sich zieht. In der Folge sammelt sich stark methyliertes NEAT1 an diesen Bruchstellen an und treibt die Erkennung gebrochener DNA voran. Im Gegenzug verzögerte eine experimentell herbeigeführte Unterdrückung der NEAT1-Expression die DNA-Schadensantwort, was erhöhte DNA-Schadensmengen zur Folge hatte.

NEAT1 selbst repariert die Schäden am Erbgut nicht. Wie das Würzburger Team herausfand, ermöglicht es jedoch die kontrollierte Freisetzung und Aktivierung eines RNA-bindenden DNA-Reparaturfaktors. Auf diesem Weg kann die Zelle DNA-Schäden hoch effizient erkennen und reparieren. Das Wissen über die Rolle der NEAT1-Methylierung bei der Reparatur von Schäden am Erbgut könnte nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neue therapeutische Optionen bei Tumoren mit hoher NEAT1-Expression ermöglichen. Zuvor müsse allerdings noch geklärt werden, ob diese Ergebnisse, die an einfachen Zellsystemen gewonnen wurden, auch auf komplexe Tumormodelle übertragbar sind. Unterstützt wurde Kaspar Burgers Forschung von der Deutschen Krebshilfe und dem Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum (MSNZ) Würzburg.

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg

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