Tag des weißen Stockes und Abschluss der Woche des Sehens

Anlässlich des „Internationalen Tags des weißen Stockes“ der Vereinten Nationen am 15. Oktober schlagen drei Selbsthilfeorganisationen Alarm: Nach ihren Schätzungen fehlen in Deutschland 400 Blinden- und Sehbehindertenlehrer. So müssen blinde Kinder von Lehrern unterrichtet werden, die keine Blindenschrift können, und sehbehinderte von solchen, die sich mit Sehschärfe, Gesichtsfeld und Blendempfindlichkeit kaum auskennen. Nur fünf Hochschulen vermitteln hierzulande das nötige Fachwissen, um Schülern mit Seheinschränkung alles beizubringen, was ihre sehenden Altersgenossen auch erfahren. Doch die wenigen Sonderpädagogen, die jedes Jahr ihren Abschluss machen, reichen bei weitem nicht aus, um die freien Stellen zu besetzen. Verschärft wird das Problem dadurch, dass sich Deutschland durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet hat, für die Inklusion behinderter Menschen auch in der Beschulung zu sorgen. Das bedeutet, dass in Zukunft noch mehr Blinden- und Sehbehindertenpädagogen gebraucht werden als heute. Darauf macht der Berufsverband der Augenärzte gemeinsam mit seinen Partnerorganisationen zum Abschluss der Woche des Sehens aufmerksam.

„Inklusion bedeutet unter anderem das Recht, in Wohnortnähe eine Regelschule zu besuchen“, erklärt die Präsidentin des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, Renate Reymann. „Das ist gut so, doch die Bundesländer stehlen sich aus ihrer Verantwortung, wenn sie die Behindertenrechtskonvention erst unterschreiben und dann nicht für die Ausbildung der nötigen Fachleute sorgen.“ Uwe Boysen, der Vorsitzende des Fachverbandes DVBS, plädiert für eine Wahlfreiheit von behinderten Kindern und deren Eltern zwischen Förderschule und Regelschule. Doch auch er meint: „Es muss dezentralere Strukturen geben, wenn die schulische Inklusion gelingen soll, und sie gelingt sicher nicht, wenn immer weniger Blinden- und Sehbehindertenlehrer ihre Kollegen an den Regelschulen unterstützen.“

„Versuchen Sie mal jemandem, der nie gesehen hat, zu erklären, wie hoch der Kölner Dom ist“, macht Ute Palm, die stellvertretende Vorsitzende von PRO RETINA Deutschland, den Bedarf an ausgebildeten Sonderpädagogen deutlich. „Für ihn hört die Wahrnehmung von Größenverhältnissen an den Körpergrenzen auf und also werden Sie es ihm Schritt für Schritt erfahrbar machen müssen.“ Für die Vermittlung von Lehrinhalten unterschiedlichster Art ist eine Spezial-Ausbildung unerlässlich. „Die schulische Inklusion darf kein Sparmodell auf Kosten behinderter Menschen werden“, warnt Renate Reymann.

Weitere Informationen:
http://www.lehrermangel.dbsv.org

Tag des weißen Stockes

Seit 43 Jahren findet jährlich am 15. Oktober der „Internationale Tag des weißen Stockes“ der Vereinten Nationen statt, an dem blinde Menschen auf ihre Möglichkeiten und Probleme in der Gesellschaft aufmerksam machen. Der Gedenktag geht auf US-Präsident Lyndon B. Johnson zurück, der fünf Jahre zuvor, am 15. Oktober 1964, in einem symbolischen Akt weiße Langstöcke an blinde Menschen übergeben hatte. Seit dem Jahr 2002 ist der 15. Oktober in Deutschland zugleich der Abschlusstag der Woche des Sehens.

Nach deutschem Recht ist ein Mensch blind, wenn er auf dem besser sehenden Auge selbst mit Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr als 2 Prozent von dem sieht, was ein Mensch mit normaler Sehkraft erkennt. Wenn man weniger als 5 Prozent sieht, gilt man als hochgradig sehbehindert. Auch viele hochgradig sehbehinderte Menschen sind auf den weißen Stock angewiesen.

Quelle:
Geschäftsführer des Deutschen Vereins Blinder und Sehbehinderter in Studium und Beruf e.V. (DVBS)

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