Tag der seltenen Erkrankungen
Am Tag der seltenen Erkrankungen, der in diesem Jahr am 28. Februar stattfindet, wird auf die Probleme, Nöte und Anliegen von Menschen aufmerksam gemacht, die an einer seltenen Erkrankung leiden. Hierzu gehört beispielsweise auch die Lebersche Hereditäre Optikus Neuropathie (LHON). Betroffene mit einer seltenen Erkrankung haben mit vielen Einschränkungen und Belastungen zu kämpfen: Es gibt kaum Therapien oder Medikamente und der Weg zur Diagnose ist für viele eine Odyssee. Prof. Dr. Ludger Schöls, Leiter der Klinischen Neurogenetik am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) sowie des Zentrums für Seltene Neurologische Erkrankungen und Entwicklungsstörungen in Tübingen, sieht jedoch Fortschritte: „Ich denke, dass es in den nächsten zehn Jahren einen großen Boom an neuen Therapien für Patienten mit seltenen Erkrankungen gibt.“ Positiv wirkten sich auch die Fortschritte in der Genetik für die Ursachenforschung bei seltenen Erkrankungen aus.
Herausforderung Diagnose – Genetik hilft bei Ursachenforschung
Eine Erkrankung gilt als selten, wenn höchstens einer von 2000 Menschen davon betroffen ist. Obwohl das wenig klingt, leiden in Deutschland rund drei Millionen Menschen an einer seltenen Erkrankung, die meist chronisch und oft lebensverkürzend ist. Zu den seltenen Erkrankungen zählen auch die hereditäre spastische Spinalparalyse, bei der Nervenzellen im Rückenmark degenerieren, die die Bewegung der Beine steuern, oder die Ataxie, bei der grobmotorische Abläufe oder die Feinmotorik gestört sind. Der Weg zu einer Diagnose ist in der Regel mühsam: Erst wenn andere, gängige Erkrankungen ausgeschlossen wurden und die Herkunft der Beschwerden unerklärt bleibt, wird analysiert, ob das Krankheitsbild zu einer seltenen Erkrankung passt.
„Wir gehen mit den Patienten die Krankengeschichten in ihren Familien durch“, erklärt Schöls. Erkennt man bei Eltern, Großeltern und Geschwistern ähnliche Symptome und treten die Beschwerden bereits in jungen Jahren auf, ist es wahrscheinlich, dass es sich um eine genetisch bedingte, seltene Erkrankung handelt. Um die Diagnose abzusichern, werden breite genetische Tests gemacht, die oft auf drei bis zehn Genvarianten hinauslaufen, die die Ursache sein können. „Hier nehmen wir die Spurensuche auf und schauen, welche der Genveränderungen in der jeweiligen Familie der wirkliche Grund für die Erkrankung ist“, so Schöls. „Das Aufdecken der genetischen Ursachen ist so faszinierend, weil wir damit die seltene Möglichkeit haben, die Erkrankung von ihrer Ursache her zu erforschen. Bei vielen weit verbreiteten Krankheiten, wie etwa Diabetes, kennen wir die eigentliche Ursache nicht und verlieren die Suche danach aus dem Blick, wenn sie gut zu therapieren sind. Bei seltenen Erkrankungen hingegen muss man unbedingt die Ursachen verstehen, um eine Therapie entwickeln zu können.“ Doch obwohl die Forscher mithilfe der Genetik mittlerweile sehr oft genau die Stelle finden, an der die Krankheit entsteht, können die meisten seltenen Erkrankungen bis jetzt nicht behandelt werden. Daher will der Neurologe als nächstes die Mechanismen aufdecken, die zu einer seltenen Krankheit führen, um individuelle Therapien für die Betroffenen zu entwickeln.
Hoffnung auf blutfettsenkende Mittel für Patienten mit SPG5
Bei einer besonderen Form der hereditären spastischen Spinalparalyse, der SPG5, ist das Team um Prof. Dr. Ludger Schöls jetzt auf der Suche nach solchen Mechanismen. Als erstes wurden die krank machenden Zellen von SPG5-Patienten im Labor untersucht. „Wir studieren an den Nervenzellkulturen, wie sich die Erkrankung in ihren allerersten Schritten entwickelt und was in welcher Reihenfolge passiert“, sagt Schöls. So konnte nachgewiesen werden, dass bei den Betroffenen die Höhe bestimmter Blutfette mit dem Schweregrad der Krankheit in Zusammenhang steht. Nun wird untersucht, ob blutfettsenkende Mittel die Erkrankung lindern. „Wir wollen den Mechanismus verstehen, der zu einer Krankheit führt – hier etwa die Blutfette, und ihn dann positiv beeinflussen. Dieser Grundgedanke wird hoffentlich später auch für andere Erkrankungen einsetzbar sein“, so Schöls. „Ich denke, dass es aus diesem Grund in den nächsten zehn Jahren einen großen Boom an neuen Therapien für seltene Erkrankungen geben wird.“
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
Das Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) wurde von der Gemeinnützigen HertieStiftung, dem Land Baden-Württemberg, der Universität und dem Universitätsklinikum in Tübingen ins Leben gerufen und ist eines der bundesweit größten und modernsten Zentren zur Erforschung neurologischer Erkrankungen. Es wird von der Hertie-Stiftung seit Gründung mit rund 30 Millionen Euro unterstützt. Das Zentrum für Seltene Erkrankungen ist eine Einrichtung der Universität und des Universitätsklinikums in Tübingen.
Quelle:
Gemeinnützige Hertie-Stiftung
http://www.ghst.de