Multiple Sklerose: Erstsymptome häufig am Auge

Plötzlich schmerzt ein Auge, wenn es bewegt wird, wenige Tage später folgt eine Sehverschlechterung. Mit solchen Beschwerden kann sich eine Multiple Sklerose bemerkbar machen, an der in Deutschland jährlich etwa 2.500 Menschen erkranken, davon 70 Prozent Frauen im Alter zwischen 15 und 45 Jahren. Auf der Vorab-Pressekonferenz zum 113. Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) erläutern Experten, warum die Erkrankung häufig beim Augenarzt erkannt wird.

Die Multiple Sklerose (MS), eine Erkrankung von Gehirn und Rückenmark, beginnt häufig als Entzündung des Sehnerven, der das Auge mit dem Gehirn verbindet. „Wir bezeichnen diese Entzündung auch als Optikusneuritis“, erläutert Professor Dr. med. Karl Ulrich Bartz-Schmidt, Kongress-Präsident und Ärztlicher Direktor der Universitäts-Augenklinik Tübingen. Sie stört den neuronalen Datenfluss vom Auge zum Gehirn, die Folge ist eine charakteristische Sehstörung.

„Die Bilder werden dunkler, die Farben als verändert und blass empfunden“, erläutert Professor Dr. med. Klaus Rüther, Spezialist für neuroophthalmologische Erkrankungen in Berlin. In Kombination mit dem Schmerz wird dies als bedrohlich empfunden. „Die Betroffenen befürchten instinktiv, dass sich die Sehstörung nicht von allein bessert und besorgen sich einen Termin beim Augenarzt“, so Rüther.

Der Ophthalmologe kann meist durch einen einfachen Pupillen-Test abklären, ob es sich tatsächlich um eine Optikusneuritis handelt. Im Dunkeln leuchtet der Arzt abwechselnd mit einer Lampe in eines der beiden Augen. Zeigt dieser Swinging-flashlight-Test, dass die Pupille im schmerzhaften Auge langsamer reagiert, gibt es kaum noch Zweifel an der Diagnose. Denn der „relative afferente Pupillendefekt“ hat die gleiche Ursache wie die Sehstörung: Das Datenkabel zum Gehirn ist beschädigt.

Zugleich veranlasst der Augenarzt häufig eine erste Kernspintomographie vom Gehirn. „Ist der Sehnerv entzündet, zeigt sich dies in der Kernspintomographie häufig als Aufhellung“, erläutert Rüther. Manchmal sind jedoch auch an anderer Stelle Hirngewebsveränderungen zu erkennen – besonders in diesem Fall besteht ein Verdacht auf MS. „Die Diagnose steht allerdings erst fest, wenn sich im Verlauf der Zeit weitere Entzündungsherde im Gehirn zeigen oder erste neurologische Symptome auftreten“, so Rüther.

Diese Entwicklung tritt immerhin innerhalb von fünfzehn Jahren bei der Hälfte aller Patienten mit einer Optikusneuritis ein. „Eine Sehnervenentzündung ist daher immer ein Grund, den Patienten auch an einen Neurologen zu überweisen“, erklärt Rüther. Die Ärzte schätzen das Erkrankungsrisiko anhand der Kernspintomographie-Bilder ab. „Wenn bei dem Scan ein bis zwei Entzündungsherde auftreten, erkranken 65 Prozent der Betroffenen später an einer Multiplen Sklerose“, erläutert der Augenspezialist aus Berlin. Zeigt die erste Kernspintomografie keine Herde, beträgt die Wahrscheinlichkeit lediglich 27 Prozent.

Die Behandlung der Optikusneuritis erfolgt in der Regel mit hochdosierten Kortison-Infusionen in die Armvene. Notwendig sei dies allerdings nicht, betont DOG-Experte Rüther. „Die Patienten würden sich auch ohne Therapie in gleichem Maße von der Sehstörung erholen, das zeigen Studien.“ Kortison könne diesen Prozess jedoch beschleunigen und die Schmerzen bessern.

Anlass zur Hoffnung, Sehschäden bei der Optikusneuritis zu mindern oder gar rückgängig machen zu können, geben derzeit Medikamente, die sich noch in der Erprobung befinden – darunter Erythropoietin (EPO), Simvastatin sowie Anti-LINGO. Erste Ergebnisse sind noch für dieses Jahr angekündigt.

Worauf es bei der Diagnose von Sehnervenentzündungen ankommt, diskutieren Experten am 1. Oktober auf dem 113. DOG-Kongress in Berlin

Quelle:
DOG
http://www.dog.org

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