Langsame Bearbeitung von Protein-Bauanleitungen führt zu Zelltod

Ein internationales Forscherteam hat einen neuen Mechanismus identifiziert, der für die Produktion von Zellproteinen entscheidend ist. Wenn dieser Mechanismus gestört ist, wird die Bearbeitung der Baupläne fehlerhaft, die die Zelle zur Herstellung von Proteinen verwendet. Die Arbeiten unter Federführung der Goethe-Universität Frankfurt könnten erklären, wie bestimmte Mutationen zur Netzhauterkrankung Retinitis pigmentosa führen. Sie könnten aber auch den Weg zu neuen diagnostischen Tests und Therapien bei vielen anderen Krankheiten eröffnen, etwa bestimmten Krebsarten, Parkinson oder Alzheimer.

Gene enthalten die Bauanleitungen für das Leben: Sie instruieren die Zelle, welche Aminosäuren sie in welcher Reihenfolge hintereinander hängen muss, um ein bestimmtes Protein herzustellen. Das menschliche Genom besteht aus 20.000 solcher Anleitungen. „Dennoch können unsere Zellen damit mehrere Hunderttausend verschiedene Proteine produzieren“, erklärt Prof. Ivan Đikić vom Institut für Biochemie II der Goethe-Universität Frankfurt.

Verantwortlich dafür ist ein Prozess, der sich „Spleißen“ nennt. Wenn eine Zelle ein Protein benötigt, bestellt sie im Zellkern eine Abschrift der entsprechenden Anleitung. Diese Abschrift wird beim Spleißen modifiziert: Ein zellinternes Redaktionsbüro, das Spleißosom, schneidet bestimmte Passagen heraus. Je nachdem, welche Teile entfernt werden, entstehen so ganz unterschiedliche Anleitungen (und damit in Folge auch verschiedene Proteine).

Dieser Vorgang ist extrem wichtig für das Leben der Zelle. „Das Spleißosom besteht aus verschiedenen Komponenten, die die Produktion von funktionalen Proteinen sicherstellen, die das zelluläre Leben kontrollieren“, sagt Đikić. „Wird dieser Komplex bei seiner Arbeit beeinträchtigt, führt das zum Tod der betroffenen Zelle. Daher gelten entsprechende Hemmstoffe unter anderem als mögliche Medikamente gegen Krebs.“ Das Problem ist nur: Eine komplette Blockade des Redaktionsbüros setzt auch Zellen außer Gefecht, die völlig gesund sind. Die bislang untersuchten Wirkstoffe zur Hemmung des Spleißosoms haben daher immense Nebenwirkungen.

Die Studie hat nun einen Mechanismus identifiziert, der auf subtilere Art und Weise in den Spleiß-Vorgang eingreift. Er betrifft einen Teil des Spleißosoms, der aus drei Bausteinen besteht und als U4/U6.U5 bezeichnet wird. „Wir wussten, dass bei einer bestimmten Augenkrankheit – der Retinitis pigmentosa – Teile dieser Bausteine mutiert und dadurch verändert sind“, erklärt Dr. Cristian Prieto-Garcia vom Institut für Biochemie II, der Erstautor der Studie. „Wir wussten aber nicht, welche Folgen diese Mutationen genau haben.“

Originalpublikation: doi.org/10.1126/science.adi5295

Quelle: Goethe-Universität Frankfurt

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