Künstliche Hornhaut vor klinischer Erprobung
Eine Arbeitsgruppe vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP in Potsdam entwickelt in enger Zusammenarbeit mit dem Aachener Centrum für Technologietransfer ACTO e. V. künstliche Hornhäute. Wissenschaftliche Partner im Projekt „ARTCORNEA“ sind die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, das ACTO e. V. und die Augenklinik Köln-Merheim, an der in Kürze die klinische Erprobung beginnen soll. „Wir entwickeln zwei unterschiedliche künstliche Hornhäute, eine davon können wir als einfachen Transplantatersatz den Patienten einsetzen, die eine Spenderhornhaut gut vertragen, aber wegen des großen Mangels keine erhalten“, sagte Dr. Joachim Storsberg, Projektleiter am IAP.
Basis von ArtCornea® ist ein Polymer, das Wasser gut aufnehmen kann. Storsberg und sein Team haben das ursprüngliche Material mit einer neuen Oberflächenbeschichtung versehen, die komplette Oberfläche selektiv funktionalisiert: Der Haptikrand etwa wurde chemisch so verändert, dass er etwas hydrophober, also wasserabstoßender ist und Zellen darauf anwachsen können. Nur so verbindet sich das Implantat mit dem umgebenden humanen Gewebe und erhält Stabilität. Bevor die Experten die Keratoprothese in Zellkulturen prüfen konnten, wurde sie sterilisiert. Ziel der Forscher sei es gewesen, die Oberfläche und Optik des Implantats zu vergrößern und so einen besseren Lichteinfall zu ermöglichen, als dies bei der Vorgänger-Keratoprothese der Fall war – eine hohe Anforderung, so das IAP. „ArtCornea® lässt sich optisch gut verankern, man erkennt nur noch die Naht. Außerdem ist sie leicht implantierbar und ruft keine Immunreaktion hervor“, betont Storsberg die Vorzüge der neuen Entwicklung.
Auch bei der zweiten künstlichen Hornhaut, ACTO-TexKpro genannt, sei es den Experten gelungen, ein chemisch und biologisch inertes Basismaterial biologisch kompatibel zu machen, so der Bericht des Fraunhofer-Institutes. Hierfür habe Storsberg das Ausgangsmaterial Polyvinylidendifluorid selektiv veränderte, indem er das textile Fluorkunststoffgewebe mit einem reaktiven Molekül beschichtete. Dadurch konnte der Rand des Implantats fest mit der natürlichen Hornhaut verwachsen, während die innere Optik aus Silikon frei von Zellen und somit klar blieb. Die ACTO-TexKpro eigne sich vor allem für die Erstversorgung, etwa wenn die Hornhaut durch chronische Entzündungen, schwere Unfälle sowie Verätzungen oder Verbrennungen zerstört wurde.
Die Experimente wurden von der Arbeitsgruppe Dr. Norbert Nass und Dr. Saadettin Sel der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg durchgeführt. Sowohl die TexKpro als auch die ArtCornea® überprüften die Ärzte zunächst im Labor auf ihre Verträglichkeit und setzten sie anschließend in vivo mehreren Kaninchen ein: Die implantierten Prothesen erwiesen sich über sechs Monate als reizfrei eingeheilt, klar und dicht im Auge verankert, eine Abstoßung fand nicht statt. Die Kontrollen nach den Operationen hätten gezeigt, dass die Tiere die künstlichen Hornhäute gut vertragen.
Demnächst sollen die klinischen Tests an der Augenklinik Köln-Merheim unter der Leitung von Prof. Dr. Norbert Schrage starten. Die Chancen, dass sich die bisherigen positiven Ergebnisse in den klinischen Prüfungen bestätigen, stehen nach Einschätzungen des Fraunhofer-Institutes gut – alle Kooperationspartner hätten die Erfolgsaussichten als sehr hoch eingeschätzt. Ein weiteres Erfolgsindiz sei, dass bereits 2009 eine am IAP für Ultima-Ratio-Patienten entwickelte Keratoprothese mehreren Betroffenen implantiert worden, die humane Spenderhornhäute abstoßen. Bis heute heute seien keine Komplikationen aufgetreten. Für diese Entwicklung wurde Storsberg mit dem Josef-von-Fraunhofer-Preis 2010 ausgezeichnet.
Eine Hornhauttransplantation ist oftmals erforderlich nach Unfällen wie Verätzungen, chronischen Entzündungen, fehlenden Limbusstammzellen im Auge und Erkrankungen wie Keratokonus, bei der sich die Hornhaut ausdünnt und kegelförmig vorwölbt. Allein in Deutschland warten 7.000 Menschen auf eine Spenderhornhaut. Eine künstliche Hornhaut könnte diesen Mangel künftig ausgleichen und das Augenlicht der betroffenen Patienten retten.