Intelligente Transportsysteme für die Gentherapie
Ein Forschungsteam von Helmholtz Munich und der Technischen Universität München hat ein fortschrittliches Transportsystem für molekulare Werkzeuge zur Gen-Editierung wie die des CRISPR/Cas9-Systems entwickelt. Dieses ermöglicht nun eine erheblich höhere Effizienz bei der Einschleusung in lebende Zellen.
Die Technologie, die den Namen „Engineered Nucleocytosolic Vehicles for Loading of Programmable Editors“ (ENVLPE) trägt, bedient sich speziell entwickelter, nicht-infektiöser virusähnlicher Partikel, um eine präzise Korrektur defekter Gene zu ermöglichen. Die Forschenden konnten diese Technik erfolgreich an lebenden Mausmodellen demonstrieren, die aufgrund einer Mutation blind waren. Darüber hinaus birgt das System großes Potenzial für die Krebstherapie: Es ermöglicht die gezielte genetische Veränderung von Immunzellen, um diese universell verträglicher zu machen, wodurch diese Therapieform zugänglicher wird für mehr Krebspatientinnen und Krebspatienten.
ENVLPE basiert auf modifizierten, nicht-infektiösen Hüllen viralen Ursprungs. Diese dienen als Trägersysteme für molekulare Geneditoren wie Basen- oder Prime-Editoren, also spezialisierten CRISPR-Werkzeugen, die einzelne DNA-Basen im Genom chemisch verändern oder gezielt neue Sequenzen einfügen können. ENVLPE überwindet ein zentrales logistisches Problem bisheriger Verfahren: Während der Produktion der Partikel sorgt ein gezielt umgeleiteter zellulärer Transportmechanismus dafür, dass alle benötigten Komponenten zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusammenkommen.
In enger Zusammenarbeit mit einem Team unter der Leitung von Prof. Krzysztof Palczewski, Professor für Augenheilkunde an der der University of California in Irvine (UC Irvine, USA), testeten die Forschenden das ENVLPE-System in einem Mausmodell für angeborene Blindheit. „Die Mäuse tragen eine schwerwiegende Mutation im Rpe65-Gen, das für die Produktion lichtsensitiver Moleküle in der Netzhaut unerlässlich ist“, sagt Samuel W. Du, Co-Autor der Studie und Doktorand an der UC Irvine: „Sie sind dadurch vollständig blind und reagieren nicht auf Lichtreize.“ Nach der Injektion von ENVLPE in den subretinalen Raum zur Korrektur der Mutation begannen die Tiere auf Lichtreize zu reagieren. „Das Ausmaß, in dem die Sehfähigkeit sich wieder einstellte, war verblüffend“, ergänzt Julian Geilenkeuser, Co-Erstautor und Doktorand am Institut für Synthetische Biomedizin bei Helmholtz Munich: „Das hat uns gezeigt, dass unsere Partikel tatsächlich therapeutisches Potenzial im lebenden Organismus haben.“
Im Vergleich zu etablierten Systemen erzielte ENVLPE deutlich bessere Ergebnisse: Ein konkurrierendes Verfahren benötigte mehr als die zehnfache Dosis, um vergleichbare Effekte zu erzielen. „ENVLPE eröffnet zudem neue Möglichkeiten für sogenannte adoptive T-Zell-Therapien. In Zusammenarbeit mit dem Labor von Dr. Andrea Schmidts am TUM Klinikum konnte ENVLPE genutzt werden, um gezielt bestimmte Oberflächenmoleküle von T-Zellen zu entfernen, darunter solche, die beim Empfänger eine Immunreaktion auslösen könnten. Mit ENVLPE könnten künftig sogenannte universelle T-Zellen entstehen, die nicht mehr individuell auf einzelne Patienten zugeschnitten werden müssen. Das würde Immuntherapien breiter verfügbar und kostengünstiger machen.
Quelle: Helmholtz Munich, Technische Universität München