Hornhaut des Auges verrät frühzeitig Nervenschäden

Die Hornhaut des Auges gibt Auskunft über Schäden am gesamten Nervensystem. Auf Basis dieser Erkenntnis haben Augenärzte aus Rostock eine neue Untersuchungsmethode für diabetesbedingte Nervenschäden entwickelt. Das „Rostock Laser Scanning Mikroskop“ bietet damit erstmals ein schonendes Diagnoseverfahren für die diabetische Neuropathie, unter der jeder vierte Diabetiker leidet. Die neue Diagnostik könnte auch die Entwicklung eines Neuropathie-Medikaments entscheidend voranbringen, erklärten die Wissenschaftler am 12. September 2013 auf der Vorab-Pressekonferenz des 111. Kongresses der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Die Jahrestagung findet vom 19. bis 22. September 2013 in Berlin statt.

Neuropathie ist eine gefürchtete Spätfolge des Diabetes, unter der in Deutschland rund 1,5 Millionen Betroffene leiden. Die dauerhaft erhöhten Blutzuckerwerte schädigen das Nervensystem, häufig die unter der Haut liegenden Empfindungs- und Bewegungsnerven. Schmerzen und Taubheitsgefühle sind die Folge. Weil die Betroffenen kleinere Fußverletzungen nicht mehr spüren, kommt es zu chronischen Entzündungen, die schließlich in einigen Fällen sogar eine Amputation einzelner Zehen oder des gesamten Fußes erfordern.

Bislang gab es jedoch keine Möglichkeit, eine Neuropathie früh und zuverlässig zu diagnostizieren. „Gewebeproben aus betroffenen Gebieten des Beines waren bisher als invasive, aber trotzdem nicht immer zuverlässige Methode notwendig“, erläutert Professor Dr. med. Rudolf Guthoff, Direktor der Universitätsaugenklinik Rostock. Sein Wissenschaftler-Team suchte daher nach einem neuen und schonenderen Verfahren, das an der Hornhaut des Auges ansetzt. „Wir wissen, dass das Auge Nervenschädigungen am gesamten Körper widerspiegelt“, so Guthoff.

In Zusammenarbeit mit der Firma Heidelberg Engineering entwickelten die Universitätsmediziner das „Rostock Laser Scanning Mikroskop“ (RLSM). Mit einem speziellen Aufsatzmodul vermessen die Ophthalmologen das Nervenfasergeflecht der Hornhaut und ziehen dadurch Rückschlüsse auf das Nervensystem des Körpers. „Parameter wie Nervenfaserlänge, Nervenfaserdichte und Anzahl der Verzweigungen sind ein direkter Gradmesser für das Ausmaß der Neuropathie“, erklärt DOG-Experte Guthoff. Für die Untersuchung erhält der Patient lediglich Augentropfen. Dann berührt das Mikroskop kurz die Augenoberfläche, und es baut sich ein Bild der Nervenfaserstruktur auf.

„Mit dem Mikroskop können wir die diabetische Neuropathie frühzeitig diagnostizieren, bevor es zu schweren Schäden kommt“, so Guthoff. Eine wirksame Behandlung der diabetesbedingten Neuropathie gibt es bislang nicht. „Aber man kann vorbeugen, indem der Patient auf einen gut eingestellten Blutzucker achtet, Bagatellverletzungen am Fuß meidet und regelmäßig zur Fußpflege geht“, erläutert Guthoff.

Die neue Diagnostik dürfte auch die Entwicklung neuer Medikamente voranbringen, hofft der DOG-Experte. Die US-amerikanische „Food and Drug Administration“ (FDA) denkt bereits darüber nach, das Rostocker Mikroskop als einen diagnostischen Marker für künftige Studien einzuführen. So könnten Pharmafirmen die Wirksamkeit eines Neuropathie-Präparats erstmals eindeutig und frühzeitig nachweisen.

Bisher bieten erst wenige spezialisierte Universitätsaugenkliniken die neue Nervenfaseranalyse an. „Hoffentlich bald wird jedoch eine komfortable Analysesoftware zur Verfügung stehen, die eine breite klinische Anwendung ermöglicht“, erklärt Rudolf Guthoff.

Quelle:
Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG)
http://www.dog.org

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