Forschungsprojekt zur beeinträchtigten Wahrnehmung

Das ungestörte Zusammenspiel aller Sinne ermöglicht Menschen eine zusammenhängende und effiziente Wahrnehmung – so gehören zum Beispiel Sehen und Fühlen ganz eng zusammen. Fehlt einer dieser Sinne in einer frühen Lebensphase, wirkt sich dies später negativ auf die gesamte Wahrnehmung aus. Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und der Universität Hamburg ist es gelungen, die zugrundeliegenden Hirnprozesse zu identifizieren. Die Ergebnisse sind jetzt in der renommierten Fachzeitschrift PLOS Biology veröffentlicht worden.

Sinneseindrücke wie Sehen, Hören, Tasten und Riechen steuern unser tägliches Leben. Um zielgerichtet handeln zu können, müssen diese Eindrücke integriert werden, wenn sie vom gleichen Ereignis stammen. Die Wahrnehmung sensorischer Informationen war für die Evolution von Lebewesen unabdingbar, so dass sich spezialisierte Sinnesorgane mit individuellen neuronalen Systemen im Gehirn ausbildeten. „Alle einzelnen Sinnesmodalitäten sind für spezifische Situationen von großem Nutzen. Jedoch kommt es erst durch das Zusammenspiel verschiedener sensorischer Modalitäten zu einer optimalen Wahrnehmung“, erläutert Prof. Dr. Ileana Hanganu-Opatz, Leiterin der Gruppe Entwicklungsneurophysiologie am Institut für Neuroanatomie des UKE.

Da diese multisensorische Wahrnehmung keine angeborene Eigenschaft ist, stellt sich den Wissenschaftlern die Frage, wie sich die Fähigkeit, sensorische Reize verschiedener Modalitäten miteinander zu kombinieren, entwickelt. Mit Hilfe elektrophysiologischer Messungen, anatomischer Untersuchungen und Verhaltensstudien im Labor konnte das Forscherteam um Prof. Hanganu-Opatz zusammen mit Prof. Dr. Brigitte Röder, Institut für Biologische Psychologie und Neuropsychologie der Universität Hamburg, erstmals die Reifung multisensorischer Fähigkeiten mechanistisch aufklären. Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass Sinneserfahrungen einer sensorischen Modalität in bestimmten Entwicklungsphasen für die Reifung multisensorischer Fähigkeiten unabdingbar sind und ihre auch nur kurzfristige Abwesenheit zu permanenten Beeinträchtigungen multisensorischer Verarbeitung in kortiko-kortikalen Netzwerken und des Verhaltens führt.

Die Arbeiten des Projekts wurden durch die Exzellenzinitiative der Stadt Hamburg („neurodapt“), aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie durch Finanzierungen des Sonderforschungsbereichs SFB 936 und des Schwerpunktprogramms SPP 1665 der DFG gefördert. Die Arbeitsgruppe von Prof. Hanganu-Opatz, die am Zentrum für Molekulare Neurobiologie Hamburg (ZMNH) angesiedelt ist, erforscht die Entwicklung kognitiver und multisensorischer Fähigkeiten in neuronalen Netzwerken (http://www.zmnh.uni-hamburg.de/zmnh/groups/hanganu).

Literatur:
Sieben, K., Bieler, M., Röder, B., Hanganu-Opatz, I.L. (2015). Neonatal restriction of tactile inputs leads to long-lasting impairments of cross-modal processing. Plos Biology (2015),
DOI: 10.1371/journal.pbio.1002304

Quelle:
Zentrum für Molekulare Neurobiologie Hamburg (ZMNH)
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Ähnliche Beiträge