Die Puppenbrille
Serie zur Sammlung Roth (Folge 155) – Brillen waren in frühester Zeit nicht immer nur ein Statussymbol oder galten als Zeichen der Intelligenz, sondern man sah sie im Gegenteil auch als Beweis der Dummheit. Sie gehörten daher nicht nur zu den Insignien der Kirchenfürsten oder Kaufleute sondern auch zu denen des Narren. Wer die Abbildungen in den frühen Holzschnitten des „Narrenschiffs“ kennt, weiß um die Brille des Lehrers, des Professors. Bis in den Anfang des letzten Jahrhunderts war eine solche Sehhilfe unschicklich und schon gar nicht für die Frau geschaffen. Ein Dandy trug sie als Monokel, der Gebildete als Zwicker. Vor allem aber Kinder missbilligten die Brille, sie machte, die Erwachsenen als Vorbild gesehen, einfach hässlich.
Bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts war, wie jeder Sammler weiß, die Kinderbrille ohnehin eine Rarität. Zum einen wurde diese nicht gerne getragen, zum anderen wurde in früheren Generationen eine Sehschwäche kaum beachtet. Das Refraktometer oder das Skiaskop waren noch unbekannt, die Zykloplegie mit Atropin obsolet. Manche Amblyopie wurde als gestörtes Lernverhalten oder als Legasthenie abgetan und blieb daher aus Sicht der Augenheilkunde unbehandelt. In der Schule behalf man sich noch bis in unsere Zeit einfach damit, Kinder, die nicht von der Tafel ablesen konnten, in die erste Reihe zu setzen.
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