BVA: Mit VR-Brillen wird das Sehen anstrengender

Die virtuelle Realität (VR) tritt immer häufiger in Konkurrenz zur realen Welt. Zu Spielekonsolen gehören heute schon häufig VR-Brillen, die dem Träger vorgaukeln, sich in einer anderen, eben der virtuellen Realität zu bewegen. Der Einsatz von VR-Brillen ist zudem nicht nur in einer Spieleumgebung denkbar, sondern auch in der Außenwelt, auf der Straße. Welche Auswirkungen es haben kann, wenn man solche Brillen über längere Zeit hinweg trägt, darüber gibt es bisher keine wissenschaftlichen Erkenntnisse. Prof. Dr. Dieter Friedburg vom Berufsverband der Augenärzte (BVA) erläutert, was aus augenärztlicher Sicht im Zusammenhang mit VR-Brillen zu beachten ist.

Das haben viele Menschen, die VR-Brillen ausprobiert haben, schon erlebt: Sobald sich virtuelle und reale Bewegungen überlagern, kann das Übelkeit hervorrufen – ein ähnliches Phänomen wie bei der Seekrankheit. Prof. Friedburg rät zudem zu Vorsicht: „Wenn ein VR-Spieler nicht sitzt, können Bewegungen in der virtuellen Welt Störungen der Koordination hervorrufen – und dann steigt die Gefahr von Unfällen.“ Hier ist also besondere Vorsicht geboten.

Auf den Pupillenabstand achten

Nicht alle VR-Brillen bieten die Möglichkeit, den Pupillenabstand (Interpupillardistanz, PD) anzupassen. Für die meisten Menschen ist das kein Problem. Nur wenn die PD der Brille zu stark von der ihres Trägers abweicht, führt das zu Beschwerden. Deshalb rät Prof. Friedburg dazu, eine VR-Brille vor dem Kauf auf jeden Fall auszuprobieren.

Der Wechsel von Fern- auf Nahsicht

Ein komplexes Thema ist der Wechsel von Fern- auf Nahsicht. Die Augen junger Menschen verfügen über zwei Mechanismen, um die Augen auf das Sehen in der Nähe anzupassen: Die Akkommodation ist die optische Naheinstellung des Auges – die Linse verformt sich und damit verändert sich die Brechkraft des Auges. Im Laufe des Lebens geht diese Fähigkeit verloren, so dass der Mensch mit der Zeit alterssichtig (presbyop) wird. Der zweite Mechanismus ist die Konvergenz, die Anpassung der Augenstellung an die Nähe, so dass beide Augen ein Objekt nah vor dem Gesicht fokussieren.
VR-Brillen sind für den Fernblick eingerichtet. Wenn in der virtuellen Welt auch die Nähe abgebildet wird, muss derjenige, der die Brille trägt, nicht akkomodieren, aber er muss dennoch seine Augenstellung an die Nähe anpassen. Damit haben ältere, bereits presbyope Menschen keine Probleme. Doch junge Menschen müssen erst lernen, Akkommodation und Konvergenz zu entkoppeln.

Vorteile der VR-Brillen kann nicht jeder nutzen

Menschen, deren räumliches Sehen eingeschränkt ist, weil sie schielen – auch wenn es sich nur um einen so genannten Mikrostrabismus mit sehr kleinem Schielwinkel handelt – können die Vorteile von VR-Brillen nur teilweise nutzen. Davon sind etwa fünf Prozent der Menschen in Deutschland betroffen.

Konkurrenz von realer und virtueller Welt – eine Herausforderung

Werden VR-Brillen nicht nur im Spiele-Modus eingesetzt, sondern auch im täglichen Leben benutzt, etwa um Informationen einzublenden, sind weitere Gesichtspunkte zu beachten: Der Blickwechsel von der realen in die virtuelle Welt und zurück kann zu einer erheblichen Mehrbelastung unseres visuellen Systems führen; der ständige Wechsel zwischen unterschiedlichen Entfernungen und der damit verbundene Aufwand für Akkommodation und Konvergenz kann sehr anstrengend sein. „Der Träger wird wohl eine Lernphase benötigen, bis er mit der neuen Sehwelt vernünftig umgehen kann“, erwartet Prof. Friedburg, „denn er muss ja seine Hauptblickrichtung dauernd wechseln. Erst die Erfahrung kann zeigen, ob die hierbei mögliche Mehrbelastung sich negativ auswirken wird.“ Daneben kann die Konkurrenz der beiden Welten Risiken bergen. Schenken wir der virtuellen Welt zu viel Aufmerksamkeit und beachten zu wenig, was um uns herum geschieht, drohen Unfälle im Straßenverkehr – schon heute ist ja zu beobachten, dass der Blick aufs Smartphone manche Fußgänger zu sehr ablenkt, um auf rote Ampeln zu achten.

Ebenso werden auch die Programmierer der virtuellen Welt erst lernen müssen, verträgliche Modelle zu entwickeln. „Eins ist voraussehbar“, meint Prof. Friedburg: „Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürfte das neue Sehen anstrengender werden.“

Quelle:
Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA)
http://www.augeninfo.de

Ähnliche Beiträge