BHG: Ernährungsberatung mit Produktabgabe in der Praxisräume ist zulässig

Wer in seinen Praxisräumen eine gewerbliche Ernährungsberatung mit Produktverkauf anbietet, verstößt nicht gegen das Berufs- und Wettbewerbsrecht, so die Entscheidung vom Bundesgerichtshof (BGH), Az.: I ZR 75/05, teilte die Kanzlei Messner und Meurers mit.

Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach ein gewerbliches Diät- und Ernährungsberatungskonzept über Arztpraxen vertrieben wurde. Zu dem Ernährungsberatungskonzept gehörte auch der Verkauf von Produkten in und über Arztpraxen. Der klagende Wettbewerbsverein hatte versucht den Vertrieb des Ernährungsberatungskonzeptes zu untersagen. Dem ist der Bundesgerichtshof jedoch nicht gefolgt. Der BGH hat klargestellt, dass kein berufs- und wettbewerbswidriges Verhalten von Ärzten vorliegt, wenn sie innerhalb von Arztpraxen Produkte verkaufen oder sonstige gewerbliche Aktivitäten entfalten. Der BGH hat festgestellt, dass neben der organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Trennung keine räumliche Trennung der gewerblichen Ernährungsberatung von der Arztpraxis erforderlich ist.

Nach § 3 Berufsordnung Ärzte (BOÄ), so der BGH in seiner Entscheidung, ist es dem Arzt erlaubt, im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen. Dies bezieht sich insbesondere auch auf Behandlungskonzepte, die wegen ihrer Besonderheit eine Produktabgabe als notwendigen Bestandteil der ärztlichen Therapie vorsehen. Bei der Auslegung der Regelung hat der BGH auch die Reichweite des Grundrechts der Berufsfreiheit des Arztes gemäß Artikel 12 Grundgesetz zu berücksichtigt. Das in § 3 BOÄ bestimmte Verbot der Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes spricht nicht gegen eine gewerbliche Tätigkeit des Arztes in seiner Praxis. Der Patient soll darauf vertrauen können, dass sich der Arzt nicht von kommerziellen Interessen, sondern ausschließlich von medizinischen Notwendigkeiten leiten lässt.

Bei der Beurteilung der berufsrechtlichen Zulässigkeit hat der BGH festgestellt, dass Ärzten eine gewerbliche unternehmerische Tätigkeit auf dem Gebiet des Heilwesens grundsätzlich erlaubt ist. Dem Arzt ist daher gemäß § 3 BOÄ die Ausübung einer anderen Tätigkeit als der Praxistätigkeit nicht verboten, sondern im Grundsatz erlaubt. Ebenso ist dem Arzt die Hergabe seines Namens in Verbindung mit einer ärztlichen Berufsbezeichnung für gewerbliche Zwecke nach § 3 Abs. 1 S. 2 BOÄ nur dann verboten, wenn dies in unlauterer Weise geschieht. Dies ist bei dem Angebot einer Diät- und Ernährungsberatung in den Praxisräumen mit damit verbundener Produktabgabe gerade nicht der Fall.

Der BGH begründet die Rechtsauffassung sehr ausführlich damit, dass für Ernährungsprogramme zur Gewichtsreduktion diejenigen Teile der Bevölkerung, die mit Übergewicht zu kämpfen haben, als Zielgruppe des Konzeptes in Frage kommen. Den betroffenen Bevölkerungsgruppen sei geläufig, so der BGH, dass Übergewicht zwar nicht stets krankhaft ist, eine Ernährungsberatung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion, aber auch die insoweit gewonnenen medizinischen Erkenntnisse berücksichtigen sollte. Solche Beratungen, die bereits in der Vergangenheit wiederholt von Krankenkassen und Gesundheitsämtern durchgeführt worden sind, wurden als sinnvoll und nicht ungewöhnlich empfunden. Die betreffenden Personen werden die Mitwirkung von Ärzten an den angebotenen Diät- und Ernährungsberatungsprogrammen daher nach der Lebenserfahrung nicht als Anzeichen dafür sehen, dass sich die Ärzte inzwischen zunehmend als Gewerbetreibende verstehen und ihr Verhalten dementsprechend nicht mehr in erster Hinsicht an den gesundheitlichen Interessen ihrer Patienten, sondern an ökonomischen Erfolgskriterien ausrichten. Dies gilt, so der BGH, auch dann, wenn die Beratung durch den Arzt in dessen Praxisräumen erfolgt.

Im Ergebnis ist die Erklärung zu begrüßen, zumal sie Rechtssicherheit gibt und – noch viel wichtiger – den unternehmerischen und rechtlichen Rahmen erweitern, in dem niedergelassene Ärzte agieren können.

Autor:
Horst Meurers, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
http://www.messner-meurers.de

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