AAD 2012: Augenärzte blicken über die Grenzen des Fachs
Eine Routineuntersuchung beim Augenarzt gibt nicht nur Aufschluss über die Gesundheit des Sehorgans; beim diagnostischen Blick ins Auge können auch Bluthochdruck, Diabetes oder eine rheumatische Krankheit auffallen. Die komplexen Zusammenhänge zwischen den Augen und dem gesamten Organismus des Menschen stehen im Mittelpunkt der Augenärztlichen Akademie Deutschland (AAD) 2012. Etwa 5000 Teilnehmer werden an der Fortbildungstagung, die bis Samstag, 24. März in Düsseldorf stattfindet, teilnehmen.
„Augenheilkunde interdisziplinär“ lautet das Leitthema der AAD in diesem Jahr. Prof. Dr. med. Nicole Eter, Münster, machte beim Pressegespräch zum Auftakt der Tagung die Vorteile der Augendiagnostik deutlich: „Mit der wenig belastenden Früherkennung kann beispielsweise ein Diabetes entdeckt werden, bevor ernsthafte Beschwerden auftreten. Dann lässt sich gegensteuern, sei es durch eine Veränderung des Lebensstils, sei es durch eine wirksame Behandlung.“ Auch zahlreiche andere Krankheiten lassen sie schon frühzeitig anhand von Veränderungen am Auge feststellen. So wirken sich rheumatische Erkrankungen oft auf die Augen aus und verursachen dort Entzündungen, die das Augenlicht bedrohen. Prof. Dr. med. Uwe Pleyer, Berlin, schilderte, welche Behandlungsmöglichkeiten es heute gibt, um den Angriff des eigenen Immunsystems auf das Auge abzuwehren.
Refraktion – Basis augenärztlicher Diagnostik
In den meisten Fällen kommen die Patienten allerdings in der Annahme zum Augenarzt, sie bräuchten eine neue Brille. Die Suche nach dem Grund für Sehverschlechterungen beginnt stets mit der Refraktion, der Bestimmung der Brechkraft des Auges. Prof. Dr. med. Dieter Friedburg, Krefeld, erläuterte, weshalb die Refraktion für die augenärztliche Diagnostik so wichtig ist. Wenn eine Augenkrankheit die Sehkraft mindert, hilft auch die beste Brille dem Betroffenen nicht, bevor die Krankheit nicht behandelt wurde. Prof. Friedburg machte andererseits deutlich, dass auch Menschen mit gesunden Augen und normaler Sehkraft von einer Feinkorrektion mit Brille oder Kontaktlinsen profitieren können.
Netzhaut-Chips und Gentherapie
Degenerativen Netzhauterkrankungen wie der Retinitis Pigmentosa standen Augenärzte bislang machtlos gegenüber. In jüngster Zeit wecken zwei innovative Behandlungsprinzipien Hoffnungen: Netzhaut-Implantate und Gentherapie. Prof. Dr. med. Peter Walter, Aachen, berichtete, dass Netzhaut-Implantate in Deutschland unmittelbar an der Schwelle stehen, Bestandteil der allgemeinen Patientenversorgung zu werden. Auch bei gentherapeutischen Methoden sind erste Erfolge zu verzeichnen, wenn auch eine Zulassung entsprechender Behandlungen noch nicht absehbar ist.
Der Stellenwert des Augenarztes in einer alternden Gesellschaft
In unserer alternden Gesellschaft wird der Einsatz des Augenarztes für den Erhalt des Sehvermögens immer wichtiger. Vier Augenkrankheiten sind für die meisten Erblindungen und Sehbehinderungen verantwortlich – und sie alle treten mit zunehmendem Alter häufiger auf: Katarakt (Grauer Star), Glaukom (Grüner Star), Altersabhängige Makuladegeneration (AMD) und Diabetische Netzhauterkrankung. Sie alle sind mit modernen Methoden gut diagnostizierbar und in den meisten Fällen auch gut behandelbar. Doch damit alle Menschen in Deutschland von den Erfolgen der modernen Augenheilkunde profitieren können, muss für die augenmedizinische Versorgung genug Geld zu Verfügung stehen. Das betonte Prof. Dr. med. Bernd Bertram, der 1. Vorsitzende des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands. Nach Angaben der gesetzlichen Krankenversicherungen wurden 2010 1,75 Milliarden Euro für augenmedizinische Leistungen bezahlt. „Das ist nicht einmal ein Prozent der GKV-Gesamtausgaben“, kritisiert Prof. Bertram. Insbesondere für die augenärztliche Grundversorgung bezahlt die gesetzliche Krankenversicherung nur rund 700 Millionen Euro pro Jahr. Davon müssen mehr als 20 Millionen Menschen – rund ein Viertel aller Bundesbürger – jedes Jahr augenärztlich versorgt werden. „Um eine moderne nicht-operative Augenheilkunde flächendeckend zu erhalten, muss unsere Gesellschaft deutlich mehr Geld aufbringen“, forderte Prof. Bertram. Nur dann wird es gelingen, eine moderne Augenheilkunde flächendeckend zu bewahren, damit allen Bürgern im Alter ein möglichst gutes Sehen erhalten bleibt.
Den Medienpreis 2012 des BVA erhielten die Autoren des Buches „Augen-Sprechstunde“, Dr. Birgit Küllenberg und Dr. Wolfram Goertz.
Quelle: BVA
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