“Sehen im Alter” – Modellprojekt präsentiert Ergebnisse der Pilotphase

Wie hoch ist der Anteil sehbehinderter und blinder Menschen in Senioreneinrichtungen? Mit dieser und weiteren Fragen startete im März 2013 das Modellprojekt „Sehen im Alter“ der Blindeninstitutsstiftung zunächst als Pilotprojekt. Nachdem in neun der kooperierenden Senioreneinrichtungen des Caritasverbandes für die Diözese Würzburg e. V. Sehschärfenbestimmungen und augenärztliche Untersuchungen durchgeführt worden sind, steht fest: rund 30 Prozent der bisher untersuchten 250 Bewohnerinnen und Bewohner sind sehbehindert oder blind.

Von Blindheit spricht man, wenn die Sehschärfe bei einem Menschen trotz Brille oder Kontaktlinse auf dem besseren Auge höchstens 0,02 (1/50 der normalen Sehschärfe am besseren Auge) beträgt, von einer Sehbehinderung bis zu einer Sehschärfe von 0,3. Im Alltag in einer Senioreneinrichtung wirkt sich eine Sehbehinderung auf fast alle Bereiche und je nach Art der Seheinschränkung ganz unterschiedlich aus: Betroffene können zum Beispiel die Zeitung nur noch mit der Lupe lesen oder übersehen leichter Hindernisse am Boden und sind dadurch stärker sturzgefährdet.

„Mit dem Modellprojekt möchten wir herausfinden, wie wir die augenärztliche, optische und rehabilitative Versorgung von Bewohnerinnen und Bewohnern in Senioreneinrichtungen verbessern können“, sagt Orthoptistin und Projektleiterin Sabine Kampmann von der Blindeninstitutsstiftung. Zusammen mit einer Optometristin und zwei Augenärztinnen der Universitäts-Augenklinik Würzburg wurden in neun Caritas-Senioreneinrichtungen in Unterfranken die kostenlo- sen Untersuchungen durchgeführt. Die wissenschaftliche Bearbeitung erfolgt von augenärztlicher Seite ebenfalls durch die Universitäts-Augenklinik Würzburg.

Gute Vernetzung mit Fachstellen rund um das Sehen ist wichtig

Um Augenerkrankungen rechtzeitig zu erkennen und die Auswirkungen zu lindern, ist ein regelmäßiger Besuch beim Augenarzt vor allem im Alter unerlässlich. Doch was, wenn die Senioren den Weg in die Arztpraxis auch mit Unterstützung nicht mehr bewältigen können? Die Augenärztinnen setzen für die Untersuchungen vor Ort mobile Spezialgeräte ein, mit denen auch im Bett liegende Bewohner augenärztlich untersucht werden können. Nach Überprüfen der Sehschärfe sowie Erheben des augenärztlichen Befundes wird, sofern nötig, eine weitere fachärztliche Untersuchung beziehungsweise Therapie oder eine Versorgung mit optischen Hilfsmitteln durch die Augenärztinnen empfohlen.

Damit eine ähnlich gute fachliche Versorgung auch nach Abschluss der Untersuchungsreihe gewährleistet ist, will das Projektteam die verschiedenen an der Augenuntersuchung beteiligten Berufsgruppen und die Verantwortlichen der Senioreneinrichtungen besser miteinander vernetzen. Neben dem besseren Kontakt zu Augenärzten, Orthoptistinnen und Optikern mit dem Spezialgebiet Low-Vision ist auch ein direkter Kontakt zur Selbsthilfe für blinde und sehbehinderte Menschen wünschenswert.

Sensibilisierung für besondere Bedürfnisse sehbehinderter Senioren Das Projekt „Sehen im Alter“ informiert nicht nur die betroffenen Bewohner und ihre Angehörigen über altersbedingte Augenerkrankungen und die Auswirkungen, auch das Pflegepersonal in den Senioreneinrichtungen wird dafür sensibilisiert. In Schulungen erfahren Pflegerinnen und Pfleger durch Simulationsbrillen selbst, wie schwierig alltägliche Dinge wie Essen, Laufen und Lesen mit Sehbehinderung oder Blindheit werden. Sie lernen Hilfsmittel kennen, die Senioren dabei helfen, mehr Selbstständigkeit zurückzuerlangen. Dazu zählt unter anderem auch der Langstock, mithilfe dessen sich die Pflegerinnen unter Anleitung einer Rehalehrerin für Orientierung und Mobilität durch einen Übungsparcours tasten.

„Für den Caritasverband und für unsere Senioreneinrichtungen bedeutet die Teilnahme an dem Modellprojekt vor allem eine verbesserte Lebensbegleitung für unsere Bewohnerinnen und Bewohner im Bereich des Sehens. Die Ergebnisse der Untersuchungen, mit einer gegebenenfalls erforderlichen Hilfsmittelversorgung oder Anpassung des Wohnumfeldes, fördern den Erhalt beziehungsweise steigern die Selbstständigkeit und führen damit zu einer höheren Lebensqualität. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden sensibilisiert und geschult im Umgang mit Menschen mit Seheinschränkungen und können so jeden Betroffenen individuell begleiten und unterstützen“, findet Sonja Schwab, Fachberaterin der Stationären Altenhilfe beim Caritas- verband für die Diözese Würzburg e. V.

In den nächsten Monaten finden weitere kostenlose Untersuchungen in Caritas-Einrichtungen in Münnerstadt, Hammelburg, Bastheim und Kitzingen statt. Im Würzburger Raum beteiligen sich an dem Projekt das Alten- und Pflegeheim Antoniushaus, das Alten- und Pflegeheim ElisabethenHeim, das Caritas Marienheim, das Caritas Seniorenzentrum St. Thekla, das Alten- und Pflegeheim Haus Clara sowie das Caritashaus St. Hedwig.

Verbesserung der Lebensqualität oft schon mit wenig Aufwand möglich Nach dem Abschluss der Untersuchungen werden die Ergebnisse von den Mitarbeitern der Universitäts-Augenklinik wissenschaftlich ausgewertet. Gemeinsam mit Sabine Kampmann und Anna-Maria Koob-Matthes von der Blindeninstitutsstiftung werden aus den Resultaten Qualitätsmerkmale und Handlungsempfehlungen in einem Leitfaden für stationäre Senioreneinrich- tungen veröffentlicht. Um eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität für sehbehinderte und blinde Bewohner zu erreichen, sind eine ausreichende Beleuchtung und kontrastreiche Markierungen in allen Wohnbereichen wichtig. Doch oftmals kann ihr Alltag auch schon durch kleinere Anpassungen erleichtert werden: Tischleuchten und Handleuchtlupen oder elektronische Lupen helfen beim Zeitunglesen. Mit einfarbig bunten Unterlagen beim Essen ist das weiße Geschirr auf dem weißen Tisch besser zu erkennen.

Über das Projekt „Sehen im Alter“

Das auf drei Jahre angelegte Projekt „Sehen im Alter – Menschen mit Sehbeeinträchtigung in Einrichtungen für Senioren“ ist eine Initiative der Blindeninstitutsstiftung in Kooperation mit dem Caritasverband für die Diözese Würzburg e. V. Weitere Projektbeteiligte sind die Universitäts-Augenklinik Würzburg, der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund e. V. und die Johann Wilhelm Klein-Akademie GmbH. Das Projekt steht unter der Schirmherrschaft von Staatssekretär a. D. Walter Kolbow. Es wird mit 300.000 Euro aus Mitteln des Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration gefördert, des Weiteren von der Stiftung „Daheim im Heim“ sowie der Edith-Mühlschlegel-Stiftung.

Quelle:
Blindeninstitutsstiftung, Caritasverband für die Diözese Würzburg e. V.

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