Schlaganfall: Visuelle Stimulation zur Wiederherstellung der Sehfunktion
Wissenschaftler wissen, dass Patienten mit Beeinträchtigungen ihres Sehvermögens durch Glaukom, Schädigung des Sehnervs oder durch einen Schlaganfall mit Hilfe einer visuellen Restitutionstherapie (Vision Restoration Therapy, VRT) visuelle Funktionen teilweise wiedererlangen, teilt die Universitätsklinikum Magdeburg mit. Jedoch sei bisher nicht bekannt, welche Faktoren den Grad der visuellen Erholung bestimmen.
Im interdisziplinären Journal „Restorative Neurology and Neuroscience“ wurden aktuell Ergebnisse veröffentlicht, dass die Wiederherstellung der visuellen Funktionen vor allem von der Aktivität der nach Schädigung verbliebenen Bereiche mit Restsehfähigkeit abhängen. Dabei hätten sowohl die lokale neuronale Aktivität als auch die Aktivität in der unmittelbaren Umgebung Einfluss auf die Wiederherstellung visueller „Hot Spots“, so der Bericht der Universität. Somit könne gezeigt werden, dass die Wiederherstellung der visuellen Funktionen durch teilweise überlebende Nervenzellen vermittelt wird.
Forscher des Instituts für Medizinische Psychologie und des Instituts für Informatik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg führten in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen eine retrospektive Analyse von Gesichtsfeldtests von 32 Schlaganfallpatienten mit Hemianopsie vor VRT und mindestens sechs Monate danach durch. Bei diesem Test wurden visuelle Reize auf einem PC-Monitor präsentiert, welche der Patient bei Erkennen durch das Drücken einer Taste bestätigen musste.
Als Ergebnis entstand eine Gesichtsfeld-Karte mit normal sehenden Bereichen, blinden Bereichen und solchen mit Restsehfähigkeit (reduzierte Sehfähigkeit). In diesen „Bereichen des Residualsehens“ war die Reaktionszeit langsamer bzw. die richtige Antwort erfolgte nur gelegentlich. Eine wiederholte Stimulation durch ein tägliches 60-minütiges Training mittels VRT zielte auf diese Bereiche mit Restsehfähigkeit ab, um deren Leistung zu stärken.
Als „Hot Spots“ wurden jene Bereiche definiert, die zunächst im Gesichtsfeldtest vor VRT (baseline) beeinträchtigt waren, sich dann aber nach dem VRT Training erholten. Dagegen wurden Bereiche, die sich durch VRT nicht erholten als „Cold Spots“ definiert. Von fast 11.000 visuellen Punkten der 32 untersuchten Patienten konnten 688 als Hot Spots definiert werden, während 3.426 den Cold Spots zugeordnet wurden. Der Mittelwert der absoluten Verbesserung durch VRT Training betrug sechs Prozent.
Die Forscher verwendeten eine computerbasierte Data-Mining-Technologie zur Auswertung großer Datenmengen, um herauszufinden, welche Merkmale der vor dem VRT-Training erstellten Gesichtsfeld-Karten eine Vorhersage der Wiederherstellung des Sehens ermöglichen. Sie untersuchten verschiedene topographische Merkmale und fanden heraus, dass Gesichtsfeldbereiche eine höhere Wahrscheinlichkeit zur Bildung von Hot Spots besaßen, wenn sie in der baseline eine höhere lokale Restsehfähigkeit hatten, mehr Restaktivität in einer räumlich begrenzten Umgebung (5 Grad Sehwinkel) zeigten und näher am blinden Fleck (Scotoma) angeordnet waren.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen die besondere Rolle dieser Reststrukturen bei der Wiederherstellung des Sehens, das höchstwahrscheinlich durch überlebende Zellen im teilweise geschädigten Hirngewebe vermittelt wird“, so Prof. Bernhard A. Sabel vom Institut für Medizinische Psychologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Prof. Sabel glaubt, dass die starke visuelle Stimulation während des VRT-Training die Wiederherstellung des Sehens durch Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die teilweise geschädigten Sehfelder verbessert. Eine tägliche Wiederholung dieses Trainings hilft bei der Aufmerksamkeit und somit bei der Erholung des Sehverlusts. „Dieses neue Verständnis erlaubt es uns nun ein Sehtraining im Internet anzubieten“, sagt Prof. Sabel.
“Local topographic influences on vision restoration hot spots after brain damage,” by Bernhard A. Sabel, Fred Wolf, and Tobias Guenther. Restorative Neurology and Neuroscience, 2013. DOI 10.3233/RNN-139019. Published by IOS Press online ahead of issue
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24212113
Quelle:
Universitätsklinikum Magdeburg