Möglicher Ansatzpunkt für die Therapie der Progressiven Supranukleären Blickparese
Die seltene Hirnerkrankung „Progressive Supranukleäre Blickparese“ ist bislang nicht heilbar und ihre Symptome lassen sich nur begrenzt lindern. Sie kann unter anderem die Bewegung der Augen, das Gleichgewicht und die Sprechfähigkeit beeinträchtigen. Wissenschaftler des DZNE und der Technischen Universität München (TUM) haben nun in Laborstudien einen molekularen Mechanismus gefunden, der vielleicht zu besseren Behandlungsmethoden verhelfen könnte. Im Mittelpunkt steht ein Protein namens PERK (Protein Kinase RNA-like Endoplasmic Reticulum Kinase). Ein Forscherteam um Prof. Günter Höglinger berichtet darüber im Fachjournal „EMBO Molecular Medicine“, teilt das Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) mit.
Die „Progressive Supranukleäre Blickparese“ (Progressive Supranuclear Palsy; PSP) zählt zu den so genannten Tauopathien, eine Gruppe neurologischer Erkrankungen, bei denen ein Molekül namens „Tau“ verklumpt, anstatt – wie gewöhnlich – das Zellgerüst zu stabilisieren. Die betroffenen Nervenzellen können infolgedessen verkümmern oder gar zugrunde gehen. Um solche Geschehnisse zu verhindern, werden krankhafte Moleküle normalerweise vom Organismus repariert oder entsorgt. Das Protein PERK ist Bestandteil eines solchen Wartungssystems. Doch bei der PSP scheint diese Maschinerie fehlerhaft zu sein. In vorherigen Untersuchungen hatten Höglinger und seine Kollegen jedenfalls festgestellt, dass sich das Risiko einer PSP-Erkrankung erhöht, falls PERK nicht korrekt funktioniert. Im Rahmen der aktuellen Studie nahmen sie die Funktion des Proteins genauer unter die Lupe – insbesondere auch, wie sich dessen Wirkung positiv beeinflussen lässt. Dazu untersuchten sie Hirnproben verstorbener Patienten, Zellkulturen sowie Mäuse mit einer genetischen Veranlagung für PSP.
„Wir haben herausgefunden, dass die Krankheitssymptome zurückgehen, wenn man PERK mit Pharmaka aktiviert, also die Wirkung des Proteins verstärkt“, sagt Höglinger, der am Standort München des DZNE eine Arbeitsgruppe leitet. „Diese Ergebnisse sind noch Grundlagenforschung und entfernt von einer Anwendung beim Patienten. Doch unsere Untersuchungen zeigen, dass PERK ein wichtiges Element des Krankheitsmechanismus ist. Insofern könnte das Protein ein Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Medikamente sein.“
Anwendungspotential sieht Höglinger nicht nur bei der PSP. Denn PERK hilft, fehlerhafte Tau-Moleküle zu beseitigen und diese treten auch bei anderen Hirnerkrankungen auf. „Diese Ergebnisse könnten von breiter Bedeutung sein. Denn defekte Tau-Moleküle spielen insbesondere auch für Alzheimer eine wichtige Rolle“, so der Münchner Forscher.
Julius Bruch, Hong Xu, Thomas Rösler, Anderson De Andrade, Peer-Hendrik Kuhn, Stefan Lichtenthaler, Thomas Arzberger, Konstanze Winklhofer, Ulrich Müller, Günter Höglinger. PERK activation mitigates tau pathology in vitro and in vivo. EMBO Molecular Medicine 2017, DOI: 10.15252/emmm.201606664
Quelle:
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE)