Mehr Diagnosen für seltene Erkrankungen durch europäische Kooperation

Dank eines neuen Workshopformats, den sogenannten „Solvathons“, haben europäische Wissenschaftler über 100 Familien mit seltenen Krankheiten zu einer Diagnose verholfen. Bei diesen Solvathons kommen Ärzte sowie Experten aus Genetik und Bioinformatik aus ganz Europa zusammen, um gemeinsam ungelöste Krankheitsfälle zu bearbeiten. Das Konzept wurde im europäischen Forschungsprojekt Solve-RD entwickelt, das vom Universitätsklinikum Tübingen koordiniert wurde. Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal Nature Genetics veröffentlicht.

Trotz Fortschritten in der Genomforschung kommt ein Großteil der Patienten mit seltenen Erkrankungen auch heutzutage noch schwer an eine eindeutige Diagnose. Das von der Europäischen Kommission geförderte Projekt Solve-RD mit 109 Partnern aus 26 Ländern hatte sich zum Ziel gesetzt, das zu ändern. Die Forschenden führten vier intensive Solvathons durch, bei denen die Ergebnisse von Analysen mit modernsten Omics-Technologien wie RNA-Sequenzierung, Langstrang-Genomsequenzierung und optischer Genomkartierung ausgewertet wurden. Jeder Solvathon kombinierte reale Patientenfälle mit hochentwickelter Datenanalyse und -interpretation. Insgesamt wurden über 1.000 Familien untersucht; die Ergebnisse führten während der Veranstaltungen zu 28 direkten Diagnosen und zu mindestens 80 weiteren in der Nachbearbeitung. Ein besonders bemerkenswerter Erfolg war die Identifikation von Veränderungen im NOP56-Gen (sogenannten Wiederholungsexpansionen) mithilfe von RNA-Sequenzierungsdaten, wodurch zwei zuvor ungelöste Fälle hereditärer Ataxie vor Ort gelöst werden konnten, einer genetisch bedingten Bewegungsstörung mit Problemen bei der Koordination.

Der nun veröffentlichte Artikel zu den Solvathons unterstreicht die Skalierbarkeit und Kosteneffizienz der Methode. Sie kombiniert Präsenz- und Onlineelemente und bietet den Experten zudem eine Plattform für gemeinsames Lernen. Die Initiative ebnete auch den Weg für die European Rare Disease Research Alliance (ERDERA), die diesen kollaborativen Ansatz in ganz Europa fortführen und ausbauen wird. Die Publikation enthält nicht nur detaillierte Ergebnisse und Fallstudien, sondern bietet auch ein praxisnahes Rahmenkonzept für die Umsetzung ähnlicher Diagnoseinitiativen weltweit.

Quelle: Universitätsklinikum Tübingen

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