Gendefekt an Kataraktentstehung beteiligt?

Eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Jochen Graw vom Institut für Entwicklungsgenetik des Helmholtz Zentrums München konnte einen Gendefekt entschlüsseln, der bei so genannten Aey12-Mausmutanten für ungewöhnlich kleine Augen und eine unvollständig ausgebildete, getrübte Linse verantwortlich ist. Diese Ergebnisse lassen Rückschlüsse auf Katarakt beim Menschen zu, glauben die Wissenschaftler, weil auch in diesem Fall der Linsenkörper seine Transparenz verliere.

„Wie beim Menschen, so startet die Entwicklung der Linse bei der Maus mit der Ausbildung einer kugelförmigen, hohlen Blase“, berichtet Graw. „Das ist das Linsenvesikel, dessen Hülle von dem Linsenepithel, einer Zellschicht, umgeben ist. Das Vesikel wird dann mit Faserzellen ausgefüllt. Im folgenden Entwicklungsverlauf entstehen am Linsenäquator weitere Fasern, die den Durchmesser der Linse vergrößern – ein Prozess, der ein Leben lang anhält.“

Anders aber bei der Aey12-Mausmutante, die die Augenforscher um Graw in der Arbeitsgruppe „Molekulare Augenentwicklung“ entdeckt haben. Die Tiere dieser Linie sind gekennzeichnet durch ungewöhnlich kleine Augen, eine Mikrophthalmia. Diese Fehlbildung ist auch vom Menschen bekannt und führt fast immer zur Blindheit. Sie entsteht häufig durch eine Verkümmerung oder Missformung der Augäpfel. Bei den Aey12-Mäusen ist aber nur die frühe Entwicklung der Augenlinse stark beeinträchtigt. Wie die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der renommierten, US-amerikanischen Augenzeitschrift „Investigative Ophthalmology & Visual Sciences“ berichten, ist bei den mutierten Mäusen das Wachstum der Fasern, die den Linsenkörper ausfüllen, vollständig blockiert. „Übrig bleibt dann ein trübes und funktionsloses Linsenbläschen“, sagt Oliver Puk, der Erstautor der Studie. „Die Tiere büßen dadurch ihre Sehkraft nahezu vollständig ein.“

Wie die Wissenschaftler in der vorliegenden Studie zeigen konnten, liegt der Erkrankung ein Defekt in einem bislang unbekannten Gen zugrunde. Gene sind Abschnitte des Erbmoleküls DNA, die Baupläne für Proteine enthalten. Fehler in der Abfolge der Genbausteine können zu Proteinen mit eingeschränkter oder gänzlich verlorener Funktion führen – und damit im schlimmsten Fall zu schwerwiegenden Erkrankungen oder Entwicklungsstörungen. Das für die Fehlbildungen der Aey12-Mausmutanten verantwortliche Gen tauften die Neuherberger Augenforscher Gjf1. Es ist ein Mitglied der so genannten Connexin-Familie. „Die zu dieser Gruppe gehörenden Gene enthalten die Information für den Aufbau von Kanalproteinen, die Zell-Zell-Verbindungen bilden“, so Graw. „Derartige Kanäle sind für den Stoffaustausch zwischen Zellen von großer Bedeutung – unter anderem auch zwischen den Faserzellen der sich entwickelnden Augenlinse.“

Die Wissenschaftler spekulieren nun, dass durch die neu gefundene Mutation die Struktur des Gjf1-Kanalproteins verändert und damit die Kanalbildung verhindert wird. Dadurch aber wäre die Kommunikation zwischen den sich entwickelnden Linsenfasern gestört. Denkbar wäre dann, dass für die Linsenentwicklung essentielle Signalmoleküle nicht mehr oder nur eingeschränkt ausgetauscht werden. Mangelhafte Zellkommunikation wäre diesem Szenario zufolge die Ursache des Abbruchs der Faserentwicklung – und letztlich der Trübung der ansonsten transparenten Augenlinse. Eben dieses Phänomen lässt sich aber auch bei einer Katarakt beobachten. „Unsere Ergebnisse werden sicher auch Einblicke in die Enstehung des Grauen Stars liefern“, meint Graw. „Außerdem kennt man bislang noch keine Mutation im menschlichen Pendant zum Gjf1-Gen der Mäuse. Das wird sich jetzt aber sicherlich bald ändern.“

Veröffentlichung:
Oliver Puk, Jana Löster, Claudia Dalke, Dian Soewarto, Helmut Fuchs, Birgit Budde, Peter Nürnberg, Eckhard Wolf, Martin Hrabé de Angelis, and Jochen Graw (2008): Mutation in a Novel Connexin-like Gene (GJF1) in the Mouse Affects Early Lens Development and Causes a Variable Small-Eye Phenotype. Investigative Ophthalmology and Visual Science, Vol. 49, No. 4, pp. 1525-1532.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Jochen Graw, Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Institut für Entwicklungsgenetik
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