Funktionelle Messung einzelner Photorezeptoren

Der Arbeitsgruppe von Gereon Hüttmann (Institut für Biomedizinische Optik) und Dierck Hillmann (OCT-Forschung der Thorlabs GmbH) gelang es, nur mit Hilfe numerischer Korrekturverfahren unvermeidliche Bildfehler des Auges zu korrigieren und so einzelne Photorezeptoren sichtbar zu machen. Anschließend konnten sie auch deren Funktion detektieren: Sie beobachteten im Menschen, dass sich die Photorezeptoren bei Stimulation durch Licht um wenige Nanometer ausdehnten. Dies sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg, die primären Sehvorgänge in den Photorezeptoren quantitativ zu vermessen, teilt die Universität Lübeck mit.

Die Lübecker Forscher setzten ein neuartiges, selbst entwickeltes OCT-Verfahren ein. Statt die Netzhaut mit einem fokussierten Laserstrahl abzutasten, bildet dieses ein wenige Millimeter großes Feld auf eine Hochgeschwindigkeitskamera ab. Mit dem Gerät wird nicht nur die Stärke, sondern auch die Laufzeit des Lichtes mit bisher kaum möglicher Präzision bestimmt. So konnten die Forscher messen, wie sich die Zeit verändert, die das Licht braucht, um die Photorezeptoren zu passieren – und damit auf mögliche Änderungen in der Dicke der Photorezeptorzellen mit Nanometergenauigkeit zurückschließen. Das verwendete Verfahren basiert auf dem in Lübeck entwickelten Prinzip der Holoskopie, das bereits mit zwei Preisen ausgezeichnet wurde (Possehl-Preis für die beste Abschlussarbeit der FH Lübeck, Christian Lührs 2012; Universitätspreis der MINT Sektion Lübeck, Dierck Hillmann 2015).

Mit dieser Technik wurde endlich ein bisher von vielen internationalen Gruppen vergeblich verfolgtes Ziel erreicht – funktionelle Messungen an einzelnen Sehzellen im Menschen. Damit ergeben sich neue diagnostischen Möglichkeiten, die es jetzt zu evaluieren gilt. Aber auch das Verständnis der dem Sehvorgang zu Grunde liegenden Mechanismen und die Entwicklung innovativer Therapiemöglichkeiten wie Gen- und Stammzelltherapie mögen entscheidend von dieser nicht-invasiven, funktionellen Messung profitieren.

Die OCT hat in Lübeck eine mehr als 20-jährige Tradition. Basierend auf Forschungen und Entwicklungen im Medizinischen Laserzentrum entstanden in den Jahren 1999, 2005 und 2010 drei Ausgründungen, die zurzeit erfolgreich OCT-Geräte für verschiedenen Anwendungsfelder entwickeln und herstellen. Zurzeit erforschen zwei eigenständige Arbeitsgruppen (Robert Huber und Gereon Hüttmann) am Institut für Biomedizinischen Optik neue Techniken und Anwendungen der OCT und kooperieren eng mit diesen Firmen.

Im November jährt sich zum 25. Mal die erste Beschreibung der OCT in der Zeitschrift Science (Huang D, Swanson E, Lin C et al. Optical Coherence Tomography. Science 1991; 254: 1178-1181). Pünktlich zu diesem Jubiläum konnten Lübecker Wissenschaftler des Instituts für Biomedizinische Optik und der Thorlabs GmbH zwei Arbeiten in den renommierten Zeitschriften „Scientific Reports“ und „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“ veröffentlichen, die neue Anwendungsmöglichkeiten für die OCT beschreiben.

D. Hillmann, H. Spahr, C. Hain, H. Sudkamp, G. Franke, C. Pfaffle, C. Winter, and G. Hüttmann, “Aberration-free volumetric high-speed imaging of in vivo retina”, Scientific reports 6, 35209 (2016). 10.1038/srep35209.
D. Hillmann, H. Spahr, C. Pfaffle, H. Sudkamp, G. Franke, and G. Hüttmann, “In vivo optical imaging of physiological responses to photostimulation in human photoreceptors”, Proc. Natl. Acad. Sci. U. S. A. (2016). 10.1073/pnas.1606428113

Weitere Informationen:

http://www.bmo.uni-luebeck.de/institut.html
http://www.nature.com/articles/srep35209
http://www.pnas.org/content/early/2016/10/10/1606428113

Quelle:
Universität zu Lübeck

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