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Berufsverband verteidigt Glaukom-IGeL

Mit großem medialen Aufwand würden individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) und Ärzte, die sie anbieten, wieder und wieder an den Pranger gestellt, kritisiert der Berufsverband der Augenärzte (BVA) und macht am Beispiel der Glaukom-Früherkennung deutlich, weshalb diese Untersuchungen durchaus berechtigt und individuell wertvoll sind.

„Schlechte Erfahrung mit IGeL? Ihre Beschwerde ist uns wichtig!“ Die Verbraucherzentrale NRW rufe Patienten dazu auf, ihre negativen Erfahrungen mit IGeLn zu dokumentieren. Flankiert werde diese Maßnahme mit einer Pressekampagne, die in unschöner Regelmäßigkeit das vermeintliche Fehlverhalten zahlreicher Ärzte an den Pranger stelle, so der BVA in einer kritischen Stellungnahme zur öffentlichen Darstellung von IGeL-Angeboten. Auf dem Portal seien im ersten Jahr seines Bestehens 1.500 Beschwerden eingegangen. Zwar erscheine angesichts des Umstandes, dass mehr als jedem dritten GKV-Versicherten individuelle Gesundheitsleistungen angeboten werden, diese Zahl nicht sonderlich hoch, doch „die 1.500 Betroffenen, die ihrem Ärger Luft machen, geben den Verbraucherzentralen und Gesundheitspolitikern willkommene Munition, gegen die so ungeliebten IGeL zu wettern“, beklagt der BVA.

Zu den Arztgruppen, die häufig IGeL anbieten, gehören Augenärzte. Insbesondere die Untersuchung zur Glaukomfrüherkennung steht in der Kritik. Neben dem Portal der Verbraucherzentralen zum IGeL-Ärger gibt es seit drei Jahren auch den IGeL-Monitor des medizinischen Dienstes der Krankenkassen. Dessen Fachleute würden ihre „tendenziell negative“ Beurteilung der Glaukom-Früherkennung mit Nichtwissen begründen, so der BVA mit Verweis auf die folgende Aussage des IGeL-Monitors: „Das Team des IGeL-Monitors kommt zu dem Schluss, dass man nicht weiß, ob es einen Nutzen gibt, und man weiß nicht, wie groß und häufig Schäden sind.“

Wissenschaftliche Einschätzung zum Nutzen der Früherkennung

Glaukom ist der Name einer chronisch fortschreitenden Augenkrankheit, bei der der Sehnerv nach und nach zerstört wird. Die Betroffenen selbst spüren davon nichts und bemerken durch die Krankheit verursachte Ausfälle im Gesichtsfeld erst, wenn schon der größte Teil des Nervs unwiederbringlich abgestorben ist. Augenärzte erkennen das Glaukom bei einer Untersuchung des Augenhintergrundes an einer charakteristischen Aushöhlung des Sehnervenkopfes (das ist die Stelle, an der der Sehnerv das Auge verlässt). Ein wichtiger Risikofaktor für das Entstehen eines Glaukoms ist der Augeninnendruck. Zur Glaukom-Früherkennungsuntersuchung gehören deshalb zwingend die Untersuchung des Sehnervenkopfes und die Messung des Augeninnendrucks.

Das Glaukom ist weltweit die zweithäufigste Erblindungsursache. Die Häufigkeit des Glaukoms nimmt mit dem Lebensalter zu und beträgt bei über 65-Jährigen etwa zwei bis vier Prozent. Die Dunkelziffer der nicht entdeckten Glaukomerkrankungen liegt in Industrieländern bei etwa 50 Prozent. In Deutschland kommt es jedes Jahr zu mehr als 1.000 Neuerblindungen durch Glaukome – und in jedem einzelnen Fall wünschten die behandelnden Augenärzte, sie hätten rechtzeitig eingreifen können. Denn früh erkannt, lässt sich das Glaukom in den allermeisten Fällen gut behandeln und die Erblindung verhindern.

Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft fasst in einer Stellungnahme vom August 2015 die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Nutzen der Früherkennung und der Behandlung zusammen:

„Aus wissenschaftlicher Sicht ist in den letzten Jahrzehnten durch Populationsstudien und prospektive randomisierte Therapiestudien zweierlei „evidenzbasiert“ belegt worden:

1. Durch gezielte augenärztliche Untersuchungen können vorher nicht festgestellte Glaukome erkannt werden.

2. Die therapeutische Senkung des Augeninnendrucks kann das Fortschreiten der Glaukomerkrankung aufhalten und deshalb Sehvermögen retten.

Der BVA weist darauf hin, dass eine Verknüpfung beider Aussagen schlüssig ergebe, dass eine Früherkennung des Glaukoms die Häufigkeit der Sehschädigung durch Glaukom herabsetzen kann. Unter diesen Umständen ist die Forderung, man müsse belegen, dass Glaukomfrüherkennungsmaßnahmen (z.B. durch Screening) Erblindungen verhindern können, wissenschaftlich nicht begründet.

Bewertung der IGeL-Kritik

„Mit großem Aufwand ziehen Krankenkassen und Verbraucherzentralen den Nutzen von individuellen Gesundheitsleistungen in Zweifel. Sie untergraben mit kontinuierlichen Pressekampagnen das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Patienten. Dabei ist diese andauernde IGeL-Schelte politisch motiviert und soll darüber hinwegtäuschen, dass der gesetzlich definierte Versorgungsumfang in der gesetzlichen Krankenversicherung Grenzen hat. Vorsorge- bzw. Früherkennungsuntersuchungen sind gemäß den gesetzlichen Vorgaben für die Augenheilkunde zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung eben nicht vorgesehen. Deshalb werden die fadenscheinigsten Begründungen herangezogen, um die Früherkennungsuntersuchungen der Augenärzte zu diskreditieren. Der Leidtragende ist dabei letzten Endes der betroffene Patient“, argumentiert der BVA und weist auf die Notwendigkeit der Früherkennung hin: „Die Früherkennung einer Augenkrankheit, die jährlich 1.000 Menschen in Deutschland das Augenlicht raubt, mag über dieses gesetzlich vorgegebene Korsett hinausgehen. Augenärzte raten dennoch Menschen mit einem erhöhten Risiko, am Glaukom zu erkranken, zu regelmäßigen Früherkennungsuntersuchungen, auch wenn sie sie aus der eigenen Tasche bezahlen müssen: Wer älter als 40 Jahre ist, wer Verwandte hat, die am Glaukom leiden, oder wer stark kurzsichtig ist (mehr als –6 Dioptrien Kurzsichtigkeit), der sollte sich bei seinem Augenarzt über die Untersuchung informieren.“

Stellungnahme der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft:
http://www.dog.org/wp-content/uploads/2015/11/SN-Glaukom-August-2015.pdf

Quelle:
Berufsverband der Augenärzte (BVA)
http://www.augeninfo.de

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