Nervenzellen mit Licht an- und ausschalten: Grundstein für zukünftige AMD-Therapie?

Wissenschaftler um den LMU-Chemiker Professor Dirk Trauner haben einen Mechanismus entdeckt, mit dem sie Ionenkanäle in Sinnesrezeptoren mithilfe von Licht gezielt steuern können. Durch die sogenannte Cis-Trans-Isomerisierung gelang es den Forschern, Kaliumkanäle in Nervenzellen des Auges wiederholt an- und auszuschalten.

Dieses Ergebnis – das im Fachmagazin „Angewandte Chemie“ veröffentlicht wurde – könnte die Grundlage für die Entwicklung lichtmodulierter Arzneistoffe sein, etwa für die Therapie der AMD. (Angewandte Chemie International Edition, 16. November 2009). In der Krebstherapie kommen so genannte photodynamische Therapien schon seit einiger Zeit zum Einsatz: Dabei reichert sich eine lichtempfindliche Substanz im Tumorgewebe an. Eine Bestrahlung mit Licht aktiviert dann das Medikament, welches das Tumorgewebe gezielt zerstört. Aber auch bei Nerven- und Sinneszellen könnte eine gezielte Regulierung durch Licht medizinische Behandlungsansätze liefern – etwa zur Behandlung bestimmter Augenkrankheiten. „Die Ionenkanäle in den Nervenzellen des Auges sind wichtig für den Prozess des Sehens“, sagt Professor Dirk Trauner vom Department Chemie und Biochemie und vom Exzellenzcluster „Center for Integrated Protein Science Munich“ (CIPSM) der LMU. „Nur wenn die Kanäle aktiviert werden, werden die im Auge eintreffenden Informationen an die nächste Nervenzelle und schließlich bis ins Gehirn weitergeleitet.“

Eine besonders wichtige Rolle kommt dabei Kanälen zu, die den Durchtritt von Kalium- oder Natriumionen erlauben. Dem Team um Trauner gelang bereits letztes Jahr der Nachweis, dass ein Molekül aus der chemischen Gruppe der Azobenzene, das so genannte AAQ, die Kaliumkanäle von Nervenzellen empfindlich auf Lichtreize reagieren lässt. Nun konnte der Biochemiker in Zusammenarbeit mit Forschern der University of California in Berkeley, USA, den Wirkmechanismus der Lichtsensitivität aufklären. „Entscheidend ist dabei, dass das AAQ-Molekül in zwei verschiedenen räumlichen Formen vorliegen kann“, so Trauner. „Wir konnten nun beobachten, dass AAQ in die Neuronen eindringt und am Kaliumkanal dort bindet, wo die Ionen im Normalfall vorbeifließen.“ In der Trans-Konfiguration blockiert das Molekül dann den Ionenkanal, während es in der Cis-Konfiguration den Kanal öffnet – und so den Kaliumionen den Durchtritt erlaubt.

Bemerkenswert ist zudem, dass AAQ auch an natürlich vorkommende Ionenkanäle bindet, während alle bisher verwendeten lichtsensitiven Moleküle nur an genetisch veränderte Moleküle andocken können. Auch die Konfiguration des Moleküls lässt sich regulieren: Die Cis-Form nimmt AAQ bevorzugt bei langwelligem Ultraviolettlicht an, während es bei grünem Licht in die Trans-Form übergeht. Damit ließen sich in Zukunft möglicherweise auch Arzneistoffe entwickeln, die sich durch Licht einer bestimmten Wellenlänge aktivieren lassen. Derart lichtempfindliche Arzneistoffe könnten etwa dazu beitragen, bestimmte Formen der Blindheit wie die Makuladegeneration zu behandeln, bei der die lichtsensitiven Zellen der Netzhaut absterben, während die nachgeschalteten Neuronen noch funktionsfähig sind. „Denkbar ist, diese retinalen Ganglienzellen durch lichtsensitive Substanzen anzuregen – und so die Sehfähigkeit wiederherzustellen“, meint Trauner. Aber das sei im Moment „natürlich noch Zukunftsmusik.“

Bislang konnten die Forscher nur das Prinzip aufklären, das möglicherweise aber auch andere Anwendungsfelder in der Medizin eröffnet. Denn auch Kalzium- und Natriumkanäle ähneln den Kaliumkanälen in der Struktur und Funktion. Sollten sie diese Übereinstimmungen für vergleichbare Anwendungen zugänglich machen, könnte dies bei der Behandlung von Herzerkrankungen von Nutzen sein – wenn lichtsensitive Moleküle gezielt Kalziumkanäle der Herzmuskelzellen öffnen und schließen. Doch jede dieser potenziellen therapeutischen Anwendungen lässt sich nur realisieren, wenn die fraglichen Moleküle sehr selektiv wirken: Die lichtempfindlichen Substanzen dürfen nur an bestimmte Ionenkanäle in bestimmten Zelltypen binden. Trauner und sein Team wollen diese selektive Wirksamkeit nun in weiteren Studien untersuchen.

Publikation:
“Photochromic blockers of voltage-gated potassium channels”; Matthew R. Banghart, Alexandre Mourot, Doris L. Fortin, Jennifer Z. Yao, Richard H. Kramer, Dirk Trauner; (Angewandte Chemie International Edition, Vol. 48, Issue 48, S. 9001-9101, 16 November 2009, DOI: 10.1002/anie.200904504)

Ansprechpartner:
Professor Dirk Trauner
Department Chemie und Biochemie und Exzellenzcluster „Center for Integrated Protein Science Munich“ (CIPSM) der LMU München
Tel: +49-89-2180-77800
Fax: +49-89 2180-77972
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Web: http://www.cup.uni-muenchen.de/oc/trauner

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